Formel 1 in Ungarn : Ferrari-Desaster bei Verstappens Sieg
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Eine Frage der Reifen: Ferrari verliert in Ungarn mit fallenden Temperaturen Form und Fassung, weil der harte Reifen nicht auf Temperatur kommt. Bild: Imago
Einen Doppelerfolg hatte die Scuderia angekündigt. Aber Formel-1-Weltmeister Max Verstappen gewinnt in Ungarn von Rang zehn aus und stürzt die Italiener zu Beginn der Sommerpause in eine Krise.
Launenhaft sind sie, die Wetterköche von Mogyoród. Beim 37. Großen Preis von Ungarn war lange unklar, was sie auftischen würden am Sonntagnachmittag auf dem Hungaroring. Oft geht es fade zu auf der engen, langsamen und kurvenreichen Piste, auf der das Überholen schwierig ist. Die vielen zehntausend Zuschauer sehnten einen satten Regenguss herbei, auf dass er dem Renngeschehen die Würze verleihen möge. Zwar erfüllten sich diese Hoffnungen nicht, es tröpfelte allenfalls leicht. Dennoch wurde es ein turbulenter Rennsonntag mit vielen Überholmanövern, an dessen Ende völlig überraschend Max Verstappen als Sieger abgewinkt wurde.
Der Erfolg in Mogyoród, gelegen eine halbe Autostunde vor den Toren von Budapest, ist für den Niederländer der zweite Triumph in Serie und der nächste Schritt auf dem Weg in Richtung Titelverteidigung – dabei war Verstappen von Platz zehn aus gestartet. Noch dazu auf einer Piste, auf der Ferrari vorher als Favorit gehandelt worden war. Lewis Hamilton im Mercedes wurde Zweiter vor seinem Teamkollegen George Russell. Für Ferrari reichte es nur zu Rang vier (Carlos Sainz) und Platz sechs (Charles Leclerc). Sebastian Vettel, der vor dem Rennwochenende sein Karriereende verkündet hatte, sammelte als Zehnter im Ziel einen WM-Punkt. Mick Schumacher gelang im Haas-Ferrari ein sehr guter Start, er fuhr zunächst vor auf Platz elf, blieb schließlich als 14. aber ohne Punkte.
Vor Beginn des Grand Prix am Sonntagnachmittag waren immer wieder Schauer niedergegangen über dem Hungaroring. Das Thermometer zeigte 19 Grad Celsius an, kaum wärmer war der Asphalt (27). Für die Fahrer kam es darauf an, die Reifentemperatur nach oben zu treiben um Traktion zu gewinnen und nicht heillos über den kurvenreichen Kurs zu rutschen. Überraschend hatte Mercedes-Pilot George Russell am Samstag die Qualifikation gewonnen und so die erste Pole-Position seiner Karriere erobert.
Erstmals in dieser Saison stand ein Silberpfeil ganz vorne in der Startaufstellung. Um 0,04 Sekunden war der Brite schneller als der favorisierte Ferrari-Fahrer Carlos Sainz, der sich vor dem Teamkollegen Charles Leclerc den zweiten Startplatz sicherte. Max Verstappen konnte bei der Zeitenjagd nicht mithalten. Wegen Problemen mit der Elektromaschine MGU-K qualifizierte sich der WM-Führende nur für den zehnten Startplatz – eigentlich eine schwere Hypothek auf dem Hungaroring.
Am Start kam Charles Leclerc besser weg als George Russell und Carlos Sainz vor ihm, fand jedoch keinen Weg vorbei und die ersten Drei hielten ihre Positionen. Pole-Mann Russell hatte extra die weichen Reifen montieren lassen, die schnell viel Grip aufbauen, um vor den beiden Ferrari-Piloten bleiben zu können. Dieser Plan ging zunächst auf, das Duo Sainz und Leclerc, beide mit den Medium-Reifen unterwegs, konnte den Silberpfeil in den ersten Runden nicht gefährden. Verstappen arbeitete sich derweil zügig vor auf den fünften Platz, beklagte sich dann jedoch über technische Probleme: „Fail 20“, so die nebulöse Antwort seines Ingenieurs – der Weltmeister konnte weiterfahren. Und wie.
Nach 16 Runden musste Russell die abgefahrenen weichen Pirellis tauschen gegen die Medium-Pneus. Carlos Sainz wurde einen Umlauf später ebenfalls hereingerufen. Sein Stallgefährte Charles Leclerc, Zweiter in der Meisterschaft, hatte zuvor am Funk darum gebeten, den Spanier überholen zu dürfen. Dies gelang an der Box, der Monegasse wurde schneller abgefertigt. So kam Leclerc mit frischen Reifen als Zweiter zwar hinter George Russell wieder auf die Piste, lag nun aber immerhin vor Sainz.
Die Hatz auf den Mercedes war eröffnet und bald erfolgreich. Entschlossen griff Leclerc zu Beginn der 31. Runde an und überholte den Silberpfeil mit einem waghalsigen Manöver auf der Außenbahn in Kurve eins. Nach 40 Touren wechselten Leclerc und Russell abermals die Reifen – zeitgleich. Dann kam es zum direkten Duell der beiden WM-Rivalen. Leclerc hatte große Probleme mit den frischen harten Reifen, rutschte nur so über den Hungaroring. Verstappen konnte mit neuen Mediums vorbeiziehen und führte den Grand Prix nun an.
„Die Reifen sind Mist“, schimpfte Leclerc am Funk. Am Ende der selben Runde verlor Verstappen die Kontrolle über seinen RB18, drehte sich, kam wieder in Schwung, aber er schenkte die Führung wieder her. Doch nur zwei Umläufe später war der Ferrari dann wieder leichte Beute für den Weltmeister, Verstappen raste auf Siegkurs davon. Wie das? Ferrari war doch als Favorit gehandelt worden. Aber die harten Pirellis erreichten nicht die nötige Temperatur. Und so kam es für Leclerc noch dicker, als Russell an ihm vorbeiging.
So blieb dem Monegassen nichts anderes übrig, als die Box anzusteuern und die untauglichen Reifen loszuwerden, weshalb er den sechsten Platz zurückfiel. Sainz, von Hamilton noch überholt, wurde Vierter. Ein Desaster für Ferrari, Teamchef Mattia Binotto hatte vorher einen Doppelerfolg der Scuderia als Ziel vorgegeben. „Wir waren stark auf dem Medium-Reifen“, sagte Leclerc, „ich hatte lange auf dem Reifen bleiben wollen. Ich weiß nicht, warum es eine andere Entscheidung gegeben hat. Die harten haben uns dann das Rennen gekostet. Darüber sprechen wir teamintern.“
Weil der große Regenguss ausblieb, sauste Verstappen zum nicht für möglich gehalten Erfolg. „Was für ein Grand Prix“, lachte der Sieger am Funk, „wer hätte gedacht, dass wir dieses Rennen gewinnen könnten?“ In der Meisterschaft führt Verstappen (258 Punkte) nun mit 80 vor Charles Leclerc (178). Sergio Perez (Red Bull) liegt auf Rang drei (173).
Nach 13 von 22 WM-Läufen legt die Formel 1 nun für vier Wochen eine Pause, ehe es mit dem Großen Preis von Belgien weitergeht. Die „Achterbahn“ von Spa-Francorchamps verheißt den nächsten turbulenten Grand Prix – die Wetterküche der Ardennen gilt schließlich als genauso unberechenbar wie die in der Hügellandschaft von Mogyoród. Allerdings regnet es öfter.