Christian Horner über Vettel : „Sebastian Vettel prägt die Formel 1“
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„Wir haben vielleicht mehr Leidenschaft als andere“: Christian Horner Bild: AFP
Christian Horner ist seit 2005 Teamchef von Red Bull. Am Sonntag kann er Pilot und Rennstall zum zweiten WM-Titel führen.
Kurz nach dem Einstieg in die Formel 1 im Jahr 2005 wurde ihr Team als "Dosenhersteller" verspottet. Spüren Sie nun Genugtuung?
Absolut. Einige Leute haben unterschätzt, wozu wir fähig sind. Red Bull hat es mit dem Rest der Welt aufgenommen und jeden besiegt. Wir haben uns etabliert als eines der ganz großen Teams in der Geschichte der Formel 1.
Sie sollen das größte Budget von allen haben. Kann nicht jeder Weltmeister werden, wenn er so viel Geld ausgibt wie Red Bull?
Ach, wenn es nur ums Geld gehen würde, wäre Toyota ständig Weltmeister geworden, aber sie haben (bis zum Ausstieg Ende 2009) nicht einmal ein Rennen gewonnen. Wir haben ein vernünftiges Budget. Ich glaube nicht, dass wir hier im Fahrerlager am meisten ausgeben. Es gibt bei uns keine glänzende Fabrik, alles ist allein darauf ausgerichtet, schnelle Autos zu produzieren. Und das funktioniert, weil die richtigen Leute an den richtigen Positionen arbeiten. Und wir haben vielleicht mehr Leidenschaft und Kampfgeist als andere.

Das Gesicht des Erfolgs ist Sebastian Vettel, er tritt noch stärker auf als im vergangenen Jahr. Sind Sie überrascht von seiner Entwicklung?
Es ist phänomenal, auf welchem Niveau sich Sebastian in dieser Saison bewegt. Seine Leistungen sind außergewöhnlich, er dominiert jeden, er prägt diese Formel 1 derzeit wie kein anderer. Dabei hat er gerade einmal 76 Grands Prix absolviert. Kaum vorstellbar, was der Junge in so einem kurzen Zeitraum alles erreicht hat.
Was hat ihn diesmal beschleunigt?
Der späte Titel 2010. Dadurch, dass er im letzten Rennen Weltmeister geworden ist, vertraut er sich und dem Team noch mehr. Man muss nur einmal schauen, wie viele Rückschläge er in der vergangenen Saison zu verkraften hatte, wie viele Rennen er gewonnen hätte, wenn das Auto nicht irgendwann ausgefallen wäre. Trotzdem hat Sebastian sein Ziel niemals aus dem Augen verloren und sich auch nicht davon beeinflussen lassen, dass andere Steine nach ihm geworfen und ihn als "Crashkid" (McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh) bezeichnet haben. All das war mental sehr hart für ihn, aber Sebastian ist sich treu geblieben. Von dieser Erfahrung profitiert er. Sebastian ist gewachsen - als Charakter und als Rennfahrer.
Bisher hat Red Bull betont, dass beide Fahrer gleichberechtigt sind. Aber Vettel hat seinen Teamkollegen Mark Webber auf der Piste abgehängt. Ist er nun offiziell die Nummer eins?
Nein, wir ändern nichts an unserer Herangehensweise. Es kommt darauf an, was die beiden auf der Strecke tun, nur das zählt. Gerade ist Sebastian in der besseren Situation, und das verdient er, weil er sehr gut gefahren ist. Bei alledem dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass auch Mark ein Weltklassefahrer ist.
Die Zukunft aber gehört Vettel. Er ist noch bis 2014 an Red Bull gebunden. Haben Sie Angst, dass er das Team vorzeitig verlassen könnte und vielleicht zu Ferrari wechselt?
Bernie Ecclestone (Formel-1-Chefmanager) hat das im Spaß vorgeschlagen, um uns einzubremsen. Ich glaube aber nicht, dass Sebastian so besessen ist von Ferrari, er ist vor allem davon besessen zu gewinnen. Und das kann er bei uns.
Formel-1-Teams mögen es nicht, wenn ein Rennstall beinahe alles gewinnt. Fürchten Sie, durch Regeländerungen eingebremst zu werden?
Wenn du zum ersten Mal etwas gewinnst, dann gratulieren dir die Leute. Wenn du zum zweiten Mal gewinnst, entwickeln sie eine Abneigung gegen diesen steten Erfolg. Hinter den Kulissen wird es immer Druck geben, um uns einzubremsen. Sei es durch die Regeln oder andere Methoden. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, aber wir betrachten es als ein Kompliment.
Die Fragen stellte Michael Wittershagen.