
Formel-1-Kommentar : Der lachende Wolf
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Künftig muss er mit Blockaden rechnen: Erstmal feiert Sebastian Vettel den Titel Bild: AFP
Vettel kam 2011 leichtfüßig daher. Seiner Vorstellung sah man nicht den gewaltigen Kraftaufwand an, den die enorme Disziplin, die unermüdliche Suche nach Verbesserungen im Detail von jedem verlangen.
So sind Champions: Sie nutzen den ersten Matchball mit einem As. Da wird nicht groß taktiert, nicht lange über Risiko und Chance nachgedacht. Vettel hat vor seinem Zug zum zweiten WM-Titel am Sonntag in Suzuka keine Millisekunde überlegt, auf Zeit zu spielen, sich fernzuhalten von attackierenden Gegnern wie Jenson Button beim Start, um unbeschadet bei einem anderen Grand Prix Weltmeister zu werden.
So eine Taktik hätte ihn Zeit gekostet - und gelangweilt. Vettel treibt die Leidenschaft, ständig an die Grenze zu gehen, mit einer optimalen Abstimmung von Herz und Hirn ein Stückchen weiterzukommen als all die anderen. So ist - in Zusammenarbeit mit seinem Team - eine grandiose Tournee 2011 entstanden. „So etwas“, sagt Ferrari-Pilot Felipe Massa, „gab es in dieser Form höchstens bei Michael (Schumacher) in den Jahren 2002 und 2004.“
Vettel der nächste Schumacher? Also der nächste Chefpilot eines Sports, der einst sogar Regeln änderte, um den Rheinländer einzubremsen? Für diese Bewertung ist es zu früh. Denn die nackten Zahlen Schumachers, 91 Siege und sieben WM-Titel, Statistiken überhaupt, sagen so wenig über das Leben und Leiden von mehrmaligen Weltmeistern in der Formel 1.
Es ist schon eine Kunst, sich in dieser rücksichtslosen Knochenmühle über ein paar Jahre im Cockpit eines Mittelklasseteams zu halten. Wer aber zur Galionsfigur aufsteigt, wird im selben Moment zur Feindfigur für alle anderen, zur Zielscheibe für Attacken aus allen Richtungen.
Ankündigung eines Machtwechsels
Die typischen Angriffe hat Vettel schon abgewehrt, nach außen hin aber stets lächelnd. Sein Teamkollege Mark Webber, im vergangenen Jahr noch ein gefährlich schneller Provokateur, verlor mit dem Tempo auch die Giftpfeile. Die groteske Kritik, Vettel könne ein Rennen nur von vorne gewinnen und nicht mit einem Überholmanöver, konterte der Hesse in Monza, wo er den führenden Fernando Alonso, den Inbegriff des perfekten Piloten, frech rechts liegen ließ.
Das aber war schon keine Majestätsbeleidigung mehr, sondern die Ankündigung eines bevorstehenden Machtwechsels. Vettel hat Alonso nach Titeln eingeholt und sieht sich nun auf der Überholspur. Jetzt muss er mit Blockaden rechnen.
Rekorde wie die von Schumacher kann Vettel, mit 24 Jahren, noch nicht bieten. Er genießt trotz seines Sprints zum nächsten Triumph auch noch nicht die Autorität Alonsos. Aber Vettel hat etwas, was keinem der aktiven Weltmeister im Feld auf ihren Wegen zum Champion zu eigen war. Schumacher und auch Alonso sah man die Härte des Geschäfts stets an. Lewis Hamilton strauchelte übereifrig 2008, Button rettete sich 2009 ins Ziel.
Vettel aber kam 2011 leichtfüßig daher. Seiner Vorstellung sah man nicht den gewaltigen Kraftaufwand an, den die enorme Disziplin, die unermüdliche Suche nach Verbesserungen im Detail von jedem verlangen. Der gewaltige Druck der eigenen Erwartungen und die Ansprüche der Umwelt vermochten seine Züge nicht zu verhärten. In der Öffentlichkeit strahlt er ständig Lebensfreude aus. So wie die leidenschaftliche Fußball-Nationalmannschaft seit der WM 2006 immer wieder ihre Fans mitreißt, so wie Basketballstar Dirk Nowitzki mit seiner Gelassenheit auf höchstem Niveau die Menschen in seinen Bann zieht, so gewinnt Vettel weltweit für sich. Dieser Moment ist wahrscheinlich einzigartig. Denn es wird ihm schwerer fallen, so zu bleiben, als zum dritten Mal Weltmeister zu werden.