Die Schweiz ist ausgeschieden : Fünf Jahre Vorbereitung in fünf Tagen verspielt
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„Es ist zum Heulen” Bild: ddp
Europameister - das wollten die Schweizer werden, nichts anderes als den Titel wollten sie im eigenen Land und später in Wien erringen. Darauf hat „Köbi“ Kuhn seit Jahren hingearbeitet. Der Masterplan des Außenseiters zerronn binnen fünf Tagen im Regen von Basel.
Am Schluss winkten Trix und Flix verzweifelt ins Publikum. Doch die beiden Maskottchen wurden nicht zurückgegrüßt. Zu enttäuscht waren die Fans im Basler Stadion, die ihr Team bis zum bitteren Ende lautstark unterstützt und zu keiner Zeit den launischen Missmut ausgedrückt hatten, mit dem sie noch während so vieler Partien vor der Europameisterschaft aufgefallen waren. Aber es half nichts.
Das Elend wurde noch verstärkt durch die Rufe aus dem Fanblock der Türken, die ihre Lieblinge für den 2:1-Sieg (Siehe auch: 1:2 gegen die Türkei: Gastgeber Schweiz fliegt im Wasserball raus) frenetisch bejubelten und hämisch „Auf Wiedersehen“ skandierten - völlig akzentfrei und für jeden Einheimischen bestens zu verstehen. Die Enttäuschung war mit Händen greifbar.
Der Traum vom Europameistertitel wurde vom Regen fortgespült
Europameister! Dieses Ziel nannten die Schweizer Nationalspieler stets, wenn sie in den vergangenen Monaten gefragt wurden, was sie bei der Leistungsschau der besten kontinentalen Nationalmannschaften zu erreichen gedenken. In Wien im Nachbarland am 29. Juni wollten sie im Finale groß auftrumpfen. Mochte die Konkurrenz über diesen Masterplan des Außenseiters auch lächeln, zumindest alle für die „Nati“ Auserwählten träumten diesen Traum von der wunderbaren Heldengeschichte mit voller Überzeugung.
Im großen Regen von Basel entpuppte er sich am Mittwoch um 22.37 Uhr als blanke Illusion - und das Erwachen in der Fußball-Realität dürfte am Morgen danach reichlich unangenehm gewesen sein. Einen Blick in die Tageszeitungen, die teilweise deutlich mit den gefallenen Möchtegern-Himmelstürmern abrechneten, werden sich die meisten vermutlich geschenkt haben.
Die erhoffte Fußballparty könnte schon nach einer Woche ohne Gastgeber stattfinden
Das EM-Fieber, das das österreichische Pop-Sternchen Christina Stürmer seit kurzem in einem offiziellen Fansong besingt, verwandelte sich in der Schweiz schon nach nicht einmal einer Woche in eine mächtige Grippe. Ordentliche Nebenwirkungen inklusive. Geht es schlimmer? „Nein, es ist eine Katastrophe“, sagte der Schweizer Torschütze Hakan Yakin deutlich, dem das 1:0 in der Partie gegen die Türken gelang, der den Matchball kurz darauf zum 2:0 aber leichtfertig vergab. Sein schonungsloses Fazit der vermaledeiten Darbietung: „Wir waren zu dumm.“ Pech oder ähnliche Ausreden bemühte er nicht. Was für ihn spricht.
Die Stimmungslage in der Alpenrepublik ist nach der 1:2-Niederlage im zweiten Spiel der Gruppe A und dem unerhofft frühen Aus der Männer von Nationaltrainer Jakob Kühn bescheiden. Und heute Abend droht der Europameisterschaft eine weitere Hiobsbotschaft: sollten auch das Team Austria gegen Polen (20.45 Uhr, Live im ZDF und im FAZ.NET-Euro-Live-Ticker) verlieren, wären beide Ausrichter schon nach der Vorrunde nicht mehr dabei - die Fußball-Party, auf die die Organisatoren fünfeinhalb Jahre hingearbeitet hatten, fände schon nach fünfeinhalb Tagen ohne Gastgeber statt.
Fassungslose Gesichter starren in den Nachthimmel
„Es ist zum Heulen“, schrieb die Zeitung „Blick“ am Donnerstagmorgen, „es ist ein Stich ins Schweizer Herz“ - damit brachte sie die Gemütsverfassung der Eidgenossen ziemlich genau auf den Punkt. Von einem „Drama“, sprachen Kommentatoren im staatlichen Fernsehen - unter dem Eindruck ihrer tränenreichen Nationalspieler, die wie begossene Pudel im St.-Jakob-Park mit fassungslosen Gesichtern in den Nachthimmel starrten.