Freistil-Schwimmen : Models und Muskeln
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Von 57 auf 65 Kilo zugelegt und stolz darauf: Englands Schwimm-Champion Francesca Halsall Bild: dpa
Die deutschen Freistil-Schwimmerinnen sind zu leicht für die Weltklasse. Nun müssen sie sich im Kraftraum schinden, um im Wasser schneller zu werden. Vorbild ist eine Britin, die acht Kilo zugenommen hat.
Seit dem Rücktritt von Olympiasiegerin Britta Steffen sind deutsche Freistil-Schwimmerinnen über 100 Meter nicht mehr konkurrenzfähig. Nun wird auch erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg keine Freistil-Staffel über 4 x 100 Meter bei Olympia starten - selbst für die Europameisterschaften in London war ein deutsches Quartett nicht konkurrenzfähig.
Die deutsche Meisterin Annika Bruhn schwamm bei ihrem nationalem Titelgewinn vor anderthalb Wochen die 100 Meter Freistil in 54,85 Sekunden. Die Schnellsten in den Vorläufen bei der EM waren am Dienstag anderthalb Sekunden schneller. Bei der WM 2015 belegte Bruhn nur den 33. Platz im Vorlauf, Titelträgerin Bronte Campbell (Australien) schwamm 3,2 Sekunden schneller.
Die deutschen Freistil-Schwimmerinnen sind so langsam, weil es ihnen an Kraft fehlt. Defizite bei der Grundlagenausdauer wurden inzwischen zwar aufgeholt, nun müssten die Athletinnen aber Muskeln aufbauen, um schneller zu werden - so, wie es die Weltklasse in den vergangenen Jahren getan hat. Im Vergleich sähe die deutsche Spitze aus „wie kleine dünne Models, aber nicht wie Sportlerinnen“, bemühte Chefbundestrainer Henning Lambertz bei der DM einen plakativen Vergleich.
Kraft-Werte wie von Männern im Sprint nötig
Dorothea Brandt hat sich dem intensiven Krafttraining schon gewidmet, und darf als Lohn der Anstrengung über 50 Meter Freistil auf einen Platz im Olympia-Finale hoffen. „Eine Frau, die mit 100 Kilo Zusatzgewicht eine tiefe Kniebeuge macht, die hat natürlich extreme Muskulatur. Das sind Werte von Männern und die brauchen wir im Sprintbereich“, erklärt Lambertz.
Die ehemalige Vorzeigeschwimmerin Britta Steffen wirkte zwar weniger muskulös als andere, war im Kraftraum aber unerreicht. „Sie hat über 30 Klimmzüge gelacht. Sie hat Klimmzüge mit Zusatzgewicht von 10 Kilo gemacht. Sie hat eine Stunde lang Liegestütze und Klimmzüge gemacht“, erinnert sich Lambertz.
Frauen, die stolz sind, schwerer zu werden
Kurz gefasst lässt sich sagen, dass Weltklasse-Athletinnen sich im Kraftraum mehr schinden, oft über Stunden, und deshalb mehr Muskelmasse aufbauen. Selbst erfolgreiche Sprinterinnen stellten in den vergangenen Jahren ihr Training um. „Vor vier Jahren habe ich 57 Kilogramm gewogen, war schmal und verpasste eine Olympia-Medaille. Nun wiege ich 65 und schwimme viel schneller. Ich musste Kraft aufbauen, um mithalten zu können“, erzählte Großbritanniens WM-Dritte Francesca Halsall.
Sprinter brauchen Muskelmasse - das gilt im Schwimmen wie in der Leichtathletik. Auch die deutsche WM-Siebte Alexandra Wenk ist muskulöser geworden - und steigerte mehrfach ihre Bestzeiten. Um die allgemeinen Defizite auszugleichen, soll zukünftig Athletiktrainer Arthur Jankowski an den Stützpunkten mit den Schwimmerinnen trainieren und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. Dabei müssen die Heimtrainer der Freistil-Schwimmerinnen künftig mitziehen. Lambertz zufolge haben sie zugestimmt.