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Der DFB-Pokal : Reparatur unter Tränen

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Vater und Restaurator des DFB-Pokals: Goldschmied Wilhelm Nagel

Vater und Restaurator des DFB-Pokals: Goldschmied Wilhelm Nagel Bild: dpa

Wilhelm Nagel hat ausgebügelt, was Rudi Assauer verbockt hat: den demolierten DFB-Pokal restauriert. Die Generalüberholung kostete 34.000 Euro und dauerte fünf Monate.

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          Ein Fan des FC Schalke 04 wird Wilhelm Nagel nie mehr. Wie auch: Wer das Lebenswerk eines 75-Jährigen mit Füßen tritt, genauer genommen freudetrunken von einem Tieflader auf den Asphalt fallen lässt, der kann sich der Antipathie sicher sein. „Mit Rudi Assauer will ich nie mehr reden“, sagt Wilhelm Nagel, „38 Jahre lang ist nichts passiert und dann das.“

          Das geschah einen Tag nach dem 11. Mai - Schalke zelebrierte die Pokalverteidigung mit einer Triumphfahrt. Hoch auf dem Wagen kam dummerweise die in den Händen des Managers befindliche Trophäe ins Trudeln. Knall auf Fall war das Dilemma da: Edelsteine des Goldbechers zierten die Straße, das gute Stück schiefer als der Turm von Pisa. Der Super-GAU für den DFB-Pokal. Verzogen, verbogen und verbeult.

          So schlimm wie auf Schalke war es nie

          Einer heulte deswegen. „Als ich den Pokal das erste Mal gesehen habe, musste ich weinen“, sagt Wilhelm Nagel, Gold- und Silberschmied im rheinischen Wesseling. Nach jedem Pokalsieg hat er stets den Cup wieder in die Hände bekommen, um den Sieger einzugravieren. Und um kleine Schäden zu beseitigen. „Mal fehlte ein Stein, mal war ein Kratzer dran oder man roch noch, was daraus getrunken worden ist. Mal soll ja auch einer mit ihm geschlafen haben.“ Doch so etwas wie auf Schalke ist noch nie passiert.

          Bei der Party „Auf Schalke” beschädigt: Der DFB-Pokal
          Bei der Party „Auf Schalke” beschädigt: Der DFB-Pokal : Bild: dpa

          Wilhelm Nagel hat lange überlegt, was er hernach machen sollte. Ein Goldschmiedemeister als Gelsenkirchen soll damals ein Gratis-Angebot unterbreitet haben. Für Wilhelm Nagel war es eine Frage der Ehre und daher keine Frage, wer Hand anlegen muss. Der Erschaffer selbst. „Ich hätte diesen Pokal nicht repariert, wenn es nicht mein eigener gewesen wäre“, erklärt der Mann mit den weißen Haaren und der großen Brille.

          Ein mächtiges Meisterwerk

          1964 hat er ihn in der Kölner Werkschule geschaffen. Der Auftrag kam vom damaligen DFB-Präsidenten Peco Bauwens und der Erfinder hatte eigentlich wenig Ahnung von Pokalen und vom Fußball. „Ich hatte bis dahin nur einmal bei einem wichtigen Spiel in Köln geschaut: Da sind nach dem Spiel die Fußballer mit einer Vase vor 40.000 Zuschauern eine Ehrenrunde gelaufen. Da hat nur noch die Blume in der Vase gefehlt.“

          Wilhelm Nagel wusste: Das muss besser, größer, schöner werden. „Nichts Alltägliches vor allem.“ Das Werk ist gelungen und allein die Daten sind imposant: Der DFB-Pokal besteht aus einem plastischen Aufbau mit mehreren Lagen, er misst 52 Zentimeter, wiegt 6,25 Kilogramm, hat ein Fassungsvermögen von acht Litern, ist aus feuer-vergoldetem Sterlingsilber gefertigt und mit 210 Gramm Feingold veredelt. Ihn schmücken zwölf Turmaline, zwölf Bergkristalle und 18 Nephrite, dazu das in Jade gestanzte DFB-Emblem.

          Platz für Sieger bis 2020

          1991 musste Wilhelm Nagel den Sockel um fünf Zentimeter erhöhen. „Ich konnte ja nichts mehr eingravieren.“ Der Meister schuf Platz für Sieger bis zum Jahre 2020. Doch die Prozedur von damals war mit der gerade erst beendeten Reparatur vergleichsweise leicht.

          „Ich wusste gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Ich habe die alten Zeichnungen von damals hervor gekramt.“ Viel geholfen haben sie ihm bei dem Totalschaden nicht. Der Pokal musste mehrfach aufgeschnitten, Teile komplett erneuert, alles wieder zusammengelötet werden. „Die Kuppe war ja oval statt rund.“ Gar eine neue Goldschicht ist aufgetragen worden, „für eine Vollvergoldung hatte ich nicht die Apparate“.

          Zoff mit Assauer

          Jeden Tag hatte der Reparateur den demolierten DFB-Pokal vor Augen, in den Händen, an den Werkzeugen. Fünf Monate lang, fünf Tage die Woche. Die Arbeitsstunden hat er nicht gezählt. Die Kosten für die Restaurierung betrugen am Ende 34.000 Euro. Der DFB hat die Rechnung sofort an Schalke 04 weitergeleitet und sich sogleich den Zorn Assauers eingehandelt.

          Der will die fehlerhafte Abrechnung des Pokalendspiels dagegensetzen und kündigt Widerstand an. Mit dem eloquenten Manager liegt auch der ehrliche Goldschmied überkreuz. „Er hat mich angerufen und beschimpft, warum ich ihm die Presse auf den Hals hetzen würden.“ Ein versöhnliches Ende des Gespräches gab es nicht.

          Keine Ehrenkarte mehr vom DFB

          Zufrieden ist der 75-Jährige, wenn er den Cup im neuen Glanze sieht. In seiner Meisterschmiede ruhte deswegen die andere Arbeit, die abseits des Fußballs durchaus Wertschätzung genießt. Sakrale Elemente und Einbauten, Goldarbeiten für Kirchen und Kathedralen - da weiß der Künstler seine Arbeit in guten Händen.

          Das wünscht sich Wilhelm Nagel auch für den DFB-Pokal. Die Tortur bei der Pokal-Übergabe in zitternde Händen und der Ehrenrunde mit hin- und hergeschwenktem Cup tut er sich schon lange nicht mehr an. „Ich kriege auch gar keine Ehrenkarte mehr vom DFB.“

          Weiße Handschuhe zur Übergabe

          Wilhelm Nagel ist einer, der seinen Job macht, weil er ihn liebt und nicht weil ihn andere dafür loben. Nach der akribischen Arbeit hat er in der Vorwoche in der Frankfurter Zentrale das Objekt der Begierde abgeliefert. Hätte nicht zufällig ein Symposium für Sportjournalisten stattgefunden, niemand hätte es bemerkt. Persönlich erklärte er im Foyer die Grunddaten zur mühsamen Restauration.

          Das Neonlicht reflektierte auf der glatt-glänzenden Oberfläche, der Cup funkelte auf einem Glastisch. Zur Übergabe benutzte der Künstler weiße Handschuhe. „Eine Distanz zu dieser Trophäe ist hilfreich. Ich hoffe, dass ihr jetzt ein gewisser Respekt entgegen gebracht wird.“

          Bald wieder kaputt?

          Vielleicht ist er ganz froh, dass Schalke 04 nicht wieder Pokalsieger werden kann. Denn für den Fall des dritten Triumphes hatte Assauer Verheerendes für das Lebenswerk des Wilhelm Nagel angekündigt.

          „Wenn wir den Pott gewinnen, haben wir die Möglichkeit, ihn wieder kaputt zu hauen. Den geraden Pokal wollen die Fans bei uns im Museum sowieso nicht sehen.“

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