Australian Open : Sabalenkas Triumph über die Selbstzweifel
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Fotos im Retro-Style: Australian-Open-Siegerin Aryna Sabalenka mit Pokal Bild: AFP
Aryna Sabalenka gelingt in Melbourne der Durchbruch bei einem Grand-Slam-Turnier. Die Tennisspielerin aus Belarus siegt als erste „neutrale Athletin“. Im Finale gewinnt sie gegen eine gebürtige Russin.
Viel Schlaf bekommen frisch gekürte Grand-Slam-Turniersieger normalerweise nicht. Nach dem sportlichen Triumph und der ersten Freude durchlaufen sie einen eng getakteten Zeitplan aus Medien- und Marketingverpflichtungen bis spät in die Nacht hinein – und dann will ja noch gefeiert werden. Verbürgt sind etwa 90 Minuten Ruhezeit, die Angelique Kerber sich nach ihrem ersten großen Titelgewinn 2016 in Melbourne gönnte. Viel mehr dürfte es auch für Aryna Sabalenka nicht gewesen sein, als sie am Sonntag um kurz vor zehn Uhr morgens im botanischen Garten auftauchte.
Über ihre Müdigkeit konnte aber nur spekuliert werden, die 24-jährige Belarussin war auf ein Fotoshooting im Retro-Stil vorbereitet. Keine zwölf Stunden nach ihrem ersten Grand-Slam-Erfolg nahm sie auf einer roten Sesselcouch in einem Boot Platz und posierte mit einem Regenschirm im rosafarbenen Kleid. Danach sagte sie: „Ich fühle mich immer noch wie auf einem anderen Planeten und versuche zu verstehen, was passiert ist.“ Es sei der glücklichste Morgen ihres Lebens.
Durchbruch für Sabalenka
Ein Morgen, der im vergangenen Jahr sehr weit weg erschien für die nun erste „neutrale Athletin“, die eines der vier wichtigsten Tennisturniere gewann seit Beginn des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine. Die Belarussin nahm wie bei allen Veranstaltungen außer dem Wimbledonturnier, wo Profis der Kriegskoalitionäre Russland und Belarus ausgeschlossen waren, unter neutraler Flagge teil. In einem hochklassigen Finale der Australian Open drehte sie einen Satzrückstand gegen die gebürtige Moskauerin und Wimbledonsiegerin Elena Rybakina, die seit 2018 für Kasachstan startet, 4:6, 6:3 und 6:4. Für Sabalenka bedeutet der Titel den großen Durchbruch.
Von 2019 bis 2021 hatte sie mit ihren knallharten Schlägen und enorm guten Aufschlägen auf der WTA-Tour mindestens zwei Titel gewonnen, zudem in Wimbledon und bei den US Open jeweils das Halbfinale erreicht. Im vergangenen Jahr allerdings blockierten Selbstzweifel Sabalenka oft in den entscheidenden Momenten, was sich vor allem am Aufschlag zeigte. Sie führte die Statistik der Doppelfehler mit 428 in 55 Matches an; demgegenüber standen 249 Asse.
Dass sie mit diesem Handicap dennoch bei den US Open ihr drittes Grand-Slam-Halbfinale erreichte und das Jahr als Weltranglistenfünfte beendete, spricht für ihr enormes Potential. 2023 startete sie mit dem Turniersieg in Adelaide und stürmte ohne Satzverlust ins Finale von Melbourne, in der ihr Rybakina einen famosen Schlagabtausch auf Augenhöhe lieferte. Knallharte Schläge hüben wie drüben und allerbestes Powertennis raubten den Zuschauern phasenweise den Atem.
Dass Aryna Sabalenka das Endspiel mit einem Doppelfehler begann, blieb eine Randnotiz. Die Belarussin zeigte mit 17 Assen, dass sie über noch größere Qualitäten als die bis dato beste Aufschlägerin des Turniers verfügt – Rybakina gelangen neun Asse im Finale. Im zweiten Satz gelang Sabalenka zum 3:1 mit einem kraftvollen Rückhandreturn das wegweisende Break. Am Ende bewies die Belarussin der Tenniswelt, dass sie ihre Nerven auf der größten Bühne zu kontrollieren weiß. Ausgerechnet beim ersten Matchball servierte sie einen weiteren Doppelfehler, blieb aber stabil in ihrem Spiel und ihren Gedanken.
„Ich habe mir gedacht – na, das wird ja jetzt lustig nach dem Doppelfehler“, sagte Aryna Sabalenka mit einem ironischen Unterton bei der Siegerpressekonferenz, während sie ein Glas Champagner in der Hand hielt. „Ich war nervös, habe mir aber immer wieder eingeredet: , Niemand sagt, dass es hier leicht wird. Arbeite bis zum letzten Punkt.’“ Sie sei megastolz, dass sie die Emotionen im Griff hatte.
Nach einem Vorhandfehler Rybakinas beim vierten Matchball sank Sabalenka zu Boden. Die gesamte Anspannung fiel ab, sofort kamen die Tränen. Ihr Trainer, Anton Dubrov, der nach den großen Doppelfehlerproblemen in der ersten Jahreshälfte 2022 fast das Team verlassen hätte, konnte auch nicht mehr an sich halten. Die Kameras fingen den Belarussen mit einem Handtuch vor dem Gesicht ein – weinend.
„Ich kann diesen Erfolg so viel mehr genießen, nach all den toughen Matches und Momenten, die mein Team und ich in der Vergangenheit durchlaufen haben. Ich habe das alles gebraucht, um mich selbst besser zu verstehen“, erklärte Sabalenka. Es sei eine Vorbereitung für dieses Finale gewesen.
Von diesem Montag an wird Sabalenka auf Rang zwei in der Weltrangliste geführt – hinter Iga Swiatek. Rybakina hatte die Branchenführerin aus Polen im Melbourner Achtelfinale bezwungen. Nachdem sie für ihren Wimbledonsieg im vergangenen Sommer aufgrund der sportpolitischen Machtkämpfe keine Ranglistenpunkte erhalten hatte, wird sie nach dem Finaleinzug bei den Australian Open nun leistungsgerechter auf Position zehn stehen.
Das Damentennis befindet sich nach dem Rücktritt von Serena Williams und dem Fehlen von Naomi Osaka, die Mutter wird, weiter im Umbruch. Ons Jabeur aus Turnesien verleiht der Tour mehr Vielfalt. Coco Gauff sorgt für Aufmerksamkeit auf dem finanziell so wichtigen US-Markt. Momentan sind es aber die osteuropäischen Spieler, die mit den stabilsten Leistungen überzeugen. Beim Thema Vermarktung allerdings haben die Athleten auch aufgrund der sportpolitischen Situation unterdurchschnittliche Möglichkeiten. Mit Leistungen wie in Melbourne aber haben sich Rybakina und vor allem Sabalenka ihren Platz im Welttennis verdient.
Doppeltitel an Lokalmatadore Hijikata/Kubler
Ein Jahr nach dem Triumph von Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis hat es bei den Australian Open der Tennisprofis in der Doppel-Konkurrenz abermals einen Heimsieg gegeben. Die Lokalmatadoren Rinky Hijikata und Jason Kubler setzten sich im Finale von Melbourne am Samstag mit 6:4, 7:6 (7:4) gegen Hugo Nys/Jan Zielinski (Monaco/Polen) durch. Hijikata/Kubler, mit einer Wildcard am Start, holten ihren ersten Grand-Slam-Titel. Die Australier gewannen das Turnier als fünftes ungesetztes Doppel in der Open Ära seit 1968. Auch Kyrgios/Kokkinakis hatten im Vorjahr ungesetzt mit Wildcard gesiegt. (sid)