Aus bei Australian Open : Stark sind bei Zverev nur die Schwankungen
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In die Knie gezwungen: Alexander Zverev scheitert bei den Australian Open in der zweiten Runde. Bild: AFP
Mit Zwicken im Oberschenkel und ohne Gefühl fürs Spiel scheitert Alexander Zverev bei den Australian Open schon in der zweiten Runde. Bis er seine alte Klasse erreicht, wird es Monate dauern.
Allzu lange wollte er sich mit dem „bisschen Pech“, wie er es nannte, nicht aufhalten. Alexander Zverev richtete den Blick eine Stunde nach dem Ausscheiden in der zweiten Runde der Australian Open schnell auf das große Ganze. „Ich kann mir noch keine Riesenschuld geben, weil ich eben sieben Monate raus war. Da kann ich noch nicht von mir erwarten, dass ich auf dem Platz jede Chance nutze.“ Man müsse realistisch bleiben, nach vorne schauen und sagen: „Es wird in den nächsten Monaten besser.“
Bei der 7:6, 4:6, 4:6, 2:6-Niederlage nach 3:26 Stunden Spielzeit gegen den Amerikaner Michael Mmoh gab es einige Momente, in denen der Deutsche wieder in das Match hätte zurückfinden können. Obwohl Zverev von Ende des ersten Satzes an Schmerzen am rechten hinteren Oberschenkel plagten und er sich schlechter bewegte und aufschlug. Spät im dritten Satz etwa hatte er sich zwei seiner am Ende zehn Breakchancen erarbeitet. Bei beiden Bällen beendete aber ein Netzroller eine mögliche Aufholjagd, noch bevor sie richtig begann.
Feel-Good-Story von Melbourne
Stattdessen nutzte Mmoh die sich bietende Chance seines Lebens, hielt seinen Aufschlag zum 5:3 und entwaffnete den nun sichtlich frustrierten Zverev wenig später zum 6:3. 46 Minuten und zwei Breaks später war das Comebackturnier Zverevs beendet. Mmoh dagegen steht zum ersten Mal überhaupt in der dritten Runde eines Grand-Slam-Wettbewerbs.
Es ist bislang eine der Feel-Good-Storys von Melbourne: Der 25-Jährige war bereits in der Qualifikation gescheitert und schon auf dem Weg zum Flughafen, als er am Dienstag angerufen wurde, um in das Hauptfeld nachzurücken. In der ersten Runde gegen den Franzosen Laurent Lokoli wehrte er einen Matchball ab und gewann in fünf Sätzen. Nun besiegte er die ehemalige Nummer zwei der Weltrangliste, den zweimaligen ATP-Finals-Sieger, Olympiasieger und US-Open-Endspielteilnehmer Zverev.
An diesen Meriten misst sich der beste deutsche Tennisspieler selbst gerne. Doch mehr als sieben Monate nachdem ihm im Halbfinale der French Open gegen Rafael Nadal sieben Bänder im Sprunggelenk des rechten Fußes gerissen waren, war er beim ersten großen Turnier seit seiner Rückkehr auf den Tennisplatz noch erwartbar weit weg von der Form vergangener Erfolge – wie Zverev selbst anmerkte: Mmoh habe seine Sachen sehr gut gemacht. „Es ist aber auch kein Geheimnis, dass ich einfach noch weit von meinem besten Level entfernt bin.“ Er sei froh, dass er bis zum nächsten Grand-Slam-Turnier in Paris gut drei Monate habe.
Zverev hat hier seit seiner Ankunft vom neu geschaffenen United Cup in Sydney, bei dem er sich noch nicht konkurrenzfähig präsentierte, mit einer herausragenden Arbeitseinstellung und bis zu vier Einheiten am Tag mit dem zurückgekehrten Trainer Sergi Bruguera und seinem Vater einiges an Trainingsrückstand aufgeholt. Körperlich und spielerisch zeigte sich Zverev in den vielen Trainingssätzen unter anderen gegen Rafael Nadal, Stan Wawrinka und Dominic Thiem schon stark verbessert.
Doch Matchpraxis, das betonte Zverev in so ziemlich jedem Interview in den Tagen von Melbourne, ist durch nichts zu ersetzen. So gerieten die beiden Auftritte in Melbourne zu echten Achterbahnfahrten. Sein spielerisches Level schwankte von sehr kurzen, dominanten Phasen hin zu verkrampften Momenten, die ihn die Kontrolle entgleiten ließen. In Runde eins steigerte sich Zverev gegen den auf Hardcourts unbekannten Peruaner Juan Pablo Varillas in einen überragenden Tiebreak des vierten Satzes und sicherte sich den Sieg nach mehr als vier Stunden Spielzeit. Die physischen Folgen spürte er am Donnerstag.
„Ich hatte so ein bisschen Schmerzen am hinteren Oberschenkel, wahrscheinlich noch als Folge vom ersten Match“, sagte Zverev. Das habe ihn beim Aufschlag ein bisschen beim Hochspringen gehindert. „Das Tempo war dann einfach nicht da. Das kommt davon, dass ich lange raus war und dass der Körper nicht mehr gewohnt ist, fünf Sätze zu spielen und so physische Matches zu haben.“
Er habe noch kein richtiges Gefühl fürs Spiel, „kein Gefühl dafür, was ich in verschiedenen Situationen tun muss“, erklärte Zverev die Leistungsschwankungen. Der 25-Jährige hatte einen außerordentlich guten Start in den ersten Satz mit Vorhandwinnern und Netzangriffen, die nur ein selbstbewusster Zverev spielt.
Nach einem spielerischen Tief spielte er wieder einen sehr guten Tiebreak, ließ Mmoh nur einen Punkt. „Wenn man so einen Tiebreak gewinnt, müsste man konzentriert bleiben, noch mal hochschalten. Ich versuche stattdessen, schnell zu spielen und auf Winner zu gehen, obwohl ich das nicht brauche“, sagte Zverev. Dann spiele er teilweise zu passiv, obwohl er mehr machen müsste. „Es ist alles noch ein bisschen fehl am Platz, und das wird auch noch eine Weile dauern.“
Zverev wolle jetzt vor allem trainieren. „Ich habe harte Arbeit vor mir, damit ich dort hinkomme, wo ich mal war.“ In zwei Wochen plant Zverev, beim Davis Cup in Trier gegen die Schweiz aufzuschlagen. Geduld war Zverevs Stärke noch nie. Die Sehnsucht nach seiner alten Form und neuen Erfolgen, gepaart mit der Arbeitseinstellung der vergangenen Tage, könnten ihn zu Beginn der Sandplatzsaison im Frühjahr zumindest wieder in Reichweite der Weltklasse bringen.