Zahnpflege bei Kindern : Tigerbiss und Zahnputzhexe
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Bürstenhalter: Zahnputzbecher von Kindern in einer Kindestagesstätte (Symbolbild) Bild: dpa
Andrea Thumeyer ist Zahnärztin in Wiesbaden. Regelmäßig zeigt sie Kindern in Kitas, wie sie richtig die Zähne putzen. Das lohnt sich. Trotzdem gibt es zur Mundhygiene immer noch erschreckende Zahlen.
Die Kieselsteine putzen Zähne. Kauflächen, Außenflächen, Innenflächen. Dabei singen die Kleinen der Kita-Gruppe das Lied „Zahnbürste, tanz in meinem Mund, halt die Zähne mir gesund, hin und her, hin und her, Zähneputzen ist nicht schwer“. Weil sich die Kinder so auf das Putzen konzentrieren, sind fast nur ihre Erzieherinnen zu hören. Und natürlich Andrea Thumeyer, die Zahnärztin. Die zierliche Frau ist an diesem Morgen in die Wiesbadener Kindertagesstätte Europaviertel gekommen, um den Drei- bis Sechsjährigen beizubringen, wie sie richtig Zähne putzen.

Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.
Der Kindergartenbesuch gehört zu einem Konzept, das den Kindern die Angst vor dem Zahnarzt nehmen und die Zahnpflege verbessern soll. Nötig ist das. Denn jedes zweite Kind hat nach Thumeyers Worten zu Beginn der Schulzeit mindestens ein Karies-Loch. 15 Prozent der unter Dreijährigen haben sogar schon Löcher in mehreren Milchzähnen, sie gelten deshalb als Hochrisikogruppe. Die Zahnärztin sagt: „Die Gebisse können dann nur noch unter Narkose saniert werden.“
Ein Puppe als Helferin
Thumeyer ist Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Hessen. Außerdem hat sie eine Praxis in Wiesbaden und betreut als „Paza“ acht Kindertagesstätten in der Landeshauptstadt. Paza steht für Patenschaftszahnarzt. In 4000 hessischen Zahnarztpraxen gibt es nach Thumeyers Worten ungefähr 1600 solcher Patenschaften. Hinzu kommen Zahnarzt-Teams des öffentlichen Gesundheitsdiensts, die in die Kitas gehen.
Thumeyers beste Helferin heißt Irma. Zu Beginn des Kita-Besuchs schnarcht sie in einer schwarzen Tasche und muss von den Kindern erst einmal wachgerufen werden. Irma ist eine Zahnputzhexe mit grünem Haar, Knollennase und vier Zähnen. Thumeyer spielt und spricht die Handpuppe so gut, dass der kleine Alexander während der Zahnputzübung nur mit der 777 Jahre alten Irma redet und nicht mehr mit der 720 Jahre jüngeren Zahnärztin. Immer wieder zeigt Thumeyer den Kindern, die im Kreis auf dem Boden des Gruppenraums hocken, wie sie ihre Zahnbürsten richtig halten und bewegen müssen.
Schreiben und Zähneputzen hängen zusammen
Der Gedanke ist einfach. Je früher die Kinder die richtige Zahnpflege lernen, desto besser putzen sie. Und je besser die Erzieherinnen in den Kitas und Krippen geschult sind, desto einfacher können sie ihr Wissen an die Kinder weitergeben. Zu Thumeyers Aufgaben zählen deshalb viele Fortbildungen - für die Erzieherinnen und für die Eltern. Die staunen bisweilen, wenn die Ärztin ihnen erzählt, dass Karies schon in den Milchzähnen die Ökologie im Mund derart verseuchen kann, dass es auch für das Bleibendgebiss böse Folgen haben kann. Während zahngesunde Kinder zu 90 Prozent ohne einen Zahnschaden durchs Leben gehen, haben Kinder mit Löchern in den Milchzähnen nur eine 50-Prozent-Chance, bis zum Lebensende keine neue Karies zu bekommen.
Lennard mampft Cornflakes mit Milch aus einer Glasschale, Lea kaut auf einem Stück Karotte. In einem Korb auf dem Tisch steht Vollkornbrot. Um die Mundhygiene zu fördern, ist der Vormittag in der Wiesbadener Kita zuckerfrei. In der Kieselsteine-Gruppe gibt es deshalb nur Wasser und ungesüßten Tee zu trinken. Erst mittags gibt es für die Ganztagskinder einen süßen Nachtisch. Danach putzen alle die Zähne, nach dem KAI-System: Kauflächen, Außenflächen, Innenflächen. Zu Hause müssen morgens und abends die Eltern die Zähne sauber putzen, und zwar so lange, bis die Kinder flüssig schreiben können. Erst dann sind die koordinativen Fähigkeiten weit genug ausgebildet.