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Wrestling : Ganz großes Theater

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Schwerelos: Lokalmatador Burchill attackiert den maskierten Master J. Das Duell im Mousonturm gehört zur ins Epische stilisierten Rivalität zwischen den Wrestlern aus Frankfurt und Hemsbach. Bild: Lukas Kreibig

In Sossenheim wird ein Sport getrieben, den die meisten nur aus dem Fernsehen kennen: Wrestling. Es geht um Schläge, Tritte, Würfe - aber vor allem darum, eine Geschichte zu erzählen.

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          Streckt die Hände aus. Berührt den Glauben. Er ist der Heiland, er wird euch retten. Im Gewitter des Stroboskops steht der Personal Jesus auf den Ringseilen, den Rücken durchgedrückt, den breiten Champion-Gürtel in die Höhe gestreckt. Depeche Modes Synthie-Gitarren-Kracher dröhnt, die roten Scheinwerfer rotieren, der Lokalmatador schleudert seine schwarze Mähne hin und her, vor und zurück, wie eine Peitsche ins Publikum. Die Halle kocht. Dabei hat der Kampf noch nicht einmal begonnen.

          Matthias Trautsch
          Koordination Reportage Rhein-Main.

          Es ist eine ziemlich gute Show, die Maggot abliefert, und die Fans lieben ihn dafür. Und sie hassen Master J, seinen Gegner. Obwohl der auch eine gute Show abliefert. Oder deswegen. Denn genau das ist seine Rolle: Er ist der Bösewicht. Und dementsprechend auch keine Schönheit. Aus einer Camouflage-Hose quillt ein kalkweißer, speckiger Körper, und auf dem kahlen Schädel trägt er, ja, was eigentlich, eine Art Sado-Maso-Gummi-Maske, die ihn aussehen lässt, als ob er einem Kellerverlies von Quentin Tarantino entsprungen wäre.

          Das Künstlerhaus Mousonturm hat im Laufe der Jahre schon einige Inszenierungen erlebt, aber noch keine wie diese. Dort, wo normalerweise ernsthafte Kunst zu sehen ist, Ballett, Theater, Musik, gerne avantgardistisch und gesellschaftskritisch, aber oft auch ziemlich trocken und theorielastig, lassen es die Wrestler an diesem Abend richtig krachen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nicht alle bringen die Fans so zur Ekstase wie Maggot. Die hier auftreten, sind keine Hulk Hogans und Undertakers, die Wrestlemania-Superstars der neunziger Jahre. Sie sind Amateure, die im normalen Leben in der Bank, im Altersheim und an der Supermarktkasse arbeiten.

          SG Sossenheim: Eltern-Kind-Turnen, Tanzen, Wrestling

          Ins Künstlerhaus sind sie nur auf einen Ausflug gekommen. Ihre Heimat ist Sossenheim. Der Stadtteil, dem Chlodwig Poth den ebenso liebevollen wie ungeliebten Stempel „Last Exit“ aufgedrückt hat. Hier am nordwestlichen Rand von Frankfurt, eingerahmt von Autobahnen, Gewerbegebieten und Streuobstwiesen, ist die Großstadt so nah und doch so fern. Es gibt Lokale, die auch heute noch Schützenhof heißen, obwohl die Schützenfeste nur noch auf den Flatscreens der Bundesliga-Übertragungen gefeiert werden.

          Für den Sport im Stadtteil ist die SG Sossenheim zuständig, die man mit Fug und Recht als Traditionsverein bezeichnen kann: Auf dem Vereinswappen prangt das Jahr 1878 - da dauerte es noch zwei Jahrzehnte, bis Eintracht und FSV gegründet wurden. Auf dem Kunstrasenplatz kicken die Jungs aus der Nachbarschaft, es gibt eine moderne Vereinsgaststätte („Schnitzel-Express“), und wer will, kann sich zum Eltern-Kind-Turnen, Tanzen oder Tischtennisspielen anmelden. Und auch zum Wrestling.

          Noch einmal Kind sein

          Dass in Sossenheim ein Sport getrieben wird, den die meisten nur aus dem Fernsehen kennen und dem viele absprechen, überhaupt ein Sport zu sein, liegt an Männern wie Marco Eisenbarth und Sascha Hercigonia. Die beiden kennen sich seit sie Schüler waren, also seit gut 15 Jahren. Wie viele Jungs waren sie mit den nächtlichen Übertragungen der World Wrestling Federation aufgewachsen. Sie begeisterten sich für Stars wie Bret „The Hitman“ Hart. „Der war cool, kam mit der Lederjacke in den Ring, verschenkte seine lila Sonnenbrille an Kinder“, schwärmt Eisenbarth, für einen kurzen Augenblick selbst wieder Kind.

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