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Frankfurter Wisag : App in die Kantine

Auskunft: Wie lang die Schlange der Hungrigen und Durstigen vor der Kantine? Diese App der Wisag zeigt es an Bild: Diana Cabrera Rojas

Ihre Beschäftigten reinigen Büros, pflegen Gärten, beladen Flugzeuge, bewachen Gebäude und betreuen Industrieanlagen. Jetzt nutzt die Wisag ihre Sensoren für die eigene Kantine.

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          Gegen 13 Uhr ist die Schlange vor der Essensausgabe immer besonders lang. Erfahrungswert. Aber ist das auch an diesem Mittag der Fall? Den meisten Kantinenessern bleibt nichts anders übrig, als sich auf den Weg zu machen und sich die Antwort auf diese Frage an Ort und Stelle selbst zu geben. Wer Pech hat, muss eben anstehen. Beschäftigte der Wisag in Frankfurt können es bequemer haben. Eine App aus dem eigenen Haus erspart ihnen unnötige Wege und Wartezeiten. Zum Beweis zückt Amelie Heller ihr Handy und ruft die App auf. Hätte sie in diesem Moment Hunger, es wäre ein guter Zeitpunkt für den Gang in die Kantine. Denn die aktuelle Wartezeit ist laut Anzeige „kurz“.

          Thorsten Winter
          Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für Mittelhessen und die Wetterau.

          Das Display zeigt aber noch mehr Informationen an. Wer mag, kann die durchschnittliche Wartezeit am jeweiligen Wochentag in Augenschein nehmen. Dies erleichtert die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Das nützt dem Hungrigen. Denn er vermeidet unnötige Wartezeiten und etwaige Hektik beim Essen. Und das dient wiederum einem effizienten Arbeitsablauf und mithin auch dem Unternehmen. „Wir messen Warteschlangen“, erläutert Heller. Sie gehört einem kleinen Team an, das sich um neue digitale Services des 32 000 Mitarbeiter zählenden Dienstleisters kümmert. Die Länge der Warteschlange ist eine schöne Information, aber im Zweifel noch nicht der Wahrheit letzter Schluss.

          Besser die Plätze erfassen?

          Eine kurze Schlange könne bedeuten, „dass schon alle Plätze besetzt sind“, gibt Heller zu bedenken. Andererseits sei sie während der beliebten Nudel-Woche immer lang. Und an der Salatbar gehe es allgemein rascher voran. Erfahrungswert. „Wir überlegen deshalb, ob die Plätze zu erfassen nicht besser wäre“, sagt sie. Zumal das in Corona-Zeiten mit Blick auf das Abstandsgebot dienlich ist.

          Zu diesem Zweck würde ihr Team im Verein mit kundigen Kollegen auf die gleiche Technik zurückgreifen wie beim Messen der Warteschlange: Sensorik. „Wir bauen gerade unser digitales Ökosystem auf“, sagt Tamara Schreiber, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Der Mitte Mai überraschend gestorbene Wisag-Facility-Chef Ralf Hempel hat das Projekt gefördert. Mehr als 400 Sensoren kommen im Haus zum Einsatz, wie Hellers Kollege Till Eichenauer erläutert. Die Wisag nutze unterschiedliche Sensortypen je nach Zweck. Denn nicht jeder Sensor sei für alles geeignet. So lässt das Unternehmen in einer Reihe von Räumen diese Technik die Sauberkeit prüfen. Muss die Putzkraft kommen, melden das die Sensoren. Ein anderes Projekt soll die Auslastung des firmeneigenen Parkhauses spiegeln. „Das klappt aber noch nicht zu hundert Prozent“, gibt Eichenauer zu, zumal auch firmenfremde Nutzer dort ihre Autos abstellen können sollen.

          Er und sein Team suchen Einsatzmöglichkeiten für solche Technik und tüfteln die digitalen Dienste aus. „Wir sind aber keine IT-Abteilung“, sagt Heller. Sie fragen, was ihren Kunden nützen könnte, und schauen auf dem Markt dann nach der passenden Technik. Einem Kunden in Österreich hat die Wisag etwa Sensoren in Behindertentoiletten eingebaut. Sie zeigen an, ob dort alles in Ordnung ist. Oder ob jemand Hilfe benötigen könnte.

          Wovon viele in der Branche sprechen

          Letztlich sei dies aber als Service für die Reinigungskräfte gedacht. Die Informationen aus den Sensoren sollten ihnen unnötige Wege ersparen. Apropos Reinigung: Die Wisag arbeitet auch an sensorbasiertem Saubermachen. „Davon sprechen in der Branche viele“, sagen Eichenauer und Heller. Die Frankfurter haben ihre Kräfte schon mit Tablets ausgestattet. Auf dem Putzwagen liegend, zeigen sie die To-do-Liste an – also die Liste der Arbeiten, die eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter während der Schicht ausführt. Das schließe sogenannte Adhoc-Bedarfe ein, also dringende Fälle, die fortlaufend von den Gebäudenutzern gemeldet werden könnten.

          Büros zum Beispiel müssen aber nicht nur sauber sein, gute Luft und eine angenehme Temperatur gehören auch dazu. Deshalb werde auch der Kohlendioxid-Gehalt der Luft ermittelt und gemessen, wie warm sie ist. Die Sensoren leiten die Daten an eine Plattform weiter, wie Heller sagt. „Im Zweifel kommt die Ansage: Fenster öffnen.“ Zudem färbe sich eine LED-Anzeige bei einem zu hohen Kohlendioxid-Anteil orange. Grün ist besser.

          Andockstellen in der Haustechnik

          Eine in der Corona-Krise gereifte Idee befasst sich mit intelligenten selbstlernenden Thermostaten an Heizkörpern. Sie erkennen, wann ein Raum genutzt wird und wann nicht, und regeln die Heizleistung entsprechend selbständig. „Es ist also kein Programmieren bestimmter Temperaturen in bestimmten Zeitabschnitten oder händisches Regeln vor Ort notwendig“, heißt es bei der Wisag.

          Um solche Sensorik einsetzen zu können, sucht das Wisag-Team nach „Andockstellen“ in der Gebäudetechnik des jeweiligen Kunden. An ihm liege letztlich auch die Frage der Marktreife eines gemeinsam entwickelten Projekts. Will der Kunde die notwendigen Investitionen schultern oder nicht? Dabei gilt es laut Eichenauer zu bedenken: Die Raumluft lasse sich in einem Büro recht einfach überwachen, diese Technik aber über ein gesamtes Gebäude auszurollen sei ungleich aufwendiger. Und mithin teurer.

          Und wie steht es mit Datenschutz und etwaigen Vorbehalten in der Belegschaft? „Uns geht es nicht darum, Leute loszuwerden“, hebt Heller hervor. Vielmehr solle die Sensorik den Beschäftigten bisher ungekannte Freiräume verschaffen. Mit dem Ziel, mehr Zeit für die zahlende Kundschaft der Wisag zu haben. Dessen ungeachtet sei die Dienstleistungsbranche von Personalmangel gekennzeichnet. Nicht von ungefähr bildet die Wisag nun auch kräftig aus.

          Und ja, Datenerfassung sei auch eine Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft. So sei bei zwei Kunden die Frage aufgekommen, ob die Sensorik denn Bewegungsprofile erstellen könne. Doch diese Angst sei unbegründet. „Wir haben die Reinigungspläne angepasst, sonst nichts.“

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