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Ryanair : Wenn es im Cockpit prekär wird

Oft freier Mitarbeiter: Gruß eines Kopiloten aus dem Cockpit einer Boeing 737-800 von Ryanair. Bild: Frank Röth

Airlines wie Ryanair wollen die Nachfrage nach günstigen Tickets befriedigen. Das hat aber seinen Preis – für Piloten.

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          Am Anfang steht der Traum vom Fliegen. Wird der verwirklicht, folgen 70.000 bis 80.000 Euro Schulden. Oft jedenfalls. Denn die Ausbildung zum Piloten muss der Nachwuchs in der Regel selbst finanzieren. Und das Gros der Berufseinsteiger hat diese Summe nicht irgendwo auf der hohen Kante. Tom K. ist solch ein Nachwuchspilot. Der Neunundzwanzigjährige, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fliegt seit gut drei Jahren für die irische Low-Cost-Gesellschaft Ryanair, die mittlerweile auch auf dem Frankfurter Flughafen Fuß fasst. Angestellter der Iren ist er bis heute allerdings nicht. Formal ist er Geschäftsführer einer Limited nach irischem Recht, deren einziger Mitarbeiter er ist. Vertraglich ist er mit einer Art Leiharbeitsfirma verbunden, die seine Dienstleistung an Ryanair verkauft. Um überhaupt ins Cockpit der Ryanair-Flugzeuge vom Typ Boeing 737-800 zu gelangen, musste Tom K. noch eine Musterberechtigung erlangen.

          Jochen Remmert
          Flughafenredakteur und Korrespondent Rhein-Main-Süd.

          Ein Berufspilot muss für jeden Flugzeugtyp, den er fliegen will, immer eigens eine Berechtigung vorweisen. Die Schulung bei Ryanair schlug noch einmal mit 30.000 Euro zu Buche. Den rund 100.000 Euro Schulden zum Berufsstart steht bei Ryanair für Kopiloten wie Tom K. ein Stundenlohn zwischen 50 Euro und 80 Euro gegenüber, wie er sagt. Andere Piloten bestätigen das. Das funktioniert finanziell, solange man oft genug im Monat fliegen darf. In Sommermonaten können das 100 Stunden sein, im Winter aber auch einmal nur 30 Flugstunden. „Dann ist man ganz schnell bei 1500 Euro brutto und weiß nicht mehr, wie man die Miete zahlen, das Auto unterhalten und den Kredit bedienen soll“, sagt er. Den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung von rund 500 Euro trägt Tom K. auch alleine. Um finanziell über die Runden zu kommen, flögen er und viele seiner Kollegen auch schon einmal, wenn sie krankheitsbedingt eigentlich nicht voll einsatzfähig seien.

          Was die Staatsanwaltschaft beschäftigt

          Das gehe im schlimmsten Fall zu Lasten der Sicherheit, weiß er. Dass die Kopiloten bei Ryanair fast ausschließlich Contract-Piloten sind, also keinen festen Arbeitsvertrag mit der Low-Cost-Airline haben, gibt Ryanair-Personalchef Eddie Wilson im Gespräch mit dieser Zeitung unumwunden zu. Die Kapitäne seien allerdings zu mehr als 65 Prozent direkt angestellt; Ryanair plane, das in den nächster Zeit auf rund 80 Prozent zu steigern. Danach gefragt, warum er den Nachwuchs nicht auch gleich fest anstellt, sagt Wilson, dass Ryanair schnell wachse auf bald 85 Basen in ganz Europa. Da sei man auf ein hohes Maß an Flexibilität angewiesen. Mit anderen Worten, Ryanair will es vermeiden, sich einen großen Kostenblock in Gestalt vieler Festangestellter aufzuhalsen.

          Dass hohe Personalkosten hinderlich sein können, weiß keiner besser als Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr. Vor etwas mehr als einem Jahr gab er einmal zu Protokoll, dass es bei der Lufthansa 25 Flugzeuge mehr und 5000 zusätzliche Stellen geben könnte, wenn die Personalkosten nicht so hoch wären. Contract-Piloten, so resümiert Ryanair-Personalchef Wilson, seien keine Erfindung von Ryanair, sie gebe es vielmehr, seit es die Berufsfliegerei gebe. Das ist zwar richtig – die Art und Weise, wie Ryanair diese Form der Geschäftsbeziehung praktiziert, beschäftigt allerdings inzwischen die Staatsanwaltschaft Koblenz. Ein Sprecher teilte auf Nachfrage mit, dass sie gegen zwei Personaldienstleister wegen des Verdachts der Lohnsteuerhinterziehung ermittle. Allerdings auch gegen etliche Piloten wegen Verdachts der Beihilfe.

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