Lego Serious Play : Was Manager beim Spiel mit Lego lernen können
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Vielsagend: Im Lego-Workshop wird jeder Bau besprochen. Bild: Ina Lockhart
Bankmanager, die mit Lego spielen? Die Seminare von Matthias Renner zeigen, dass die bunten Steinchen Unternehmen bei der Strategieentwicklung helfen können.
Wenn erwachsene Menschen mit Lego spielen, müssen sie sich nicht unbedingt im Kindergarten befinden. Manche Menschen reizt es einfach, zu Hause Filmkulissen nachzubauen. Andere wiederum versuchen mithilfe der bunten Steinchen, neue Ideen für ihre Unternehmen zu entwickeln.
„Wenn wir spielen, vergessen wir alles um uns herum. Wir regen unsere Vorstellungskraft an, es gibt keine Grenzen“, sagt Matthias Renner. Er hält regelmäßig Seminare für Firmen, in denen er Manager mit Lego spielen lässt. Die Methode, die er dabei nutzt, heißt Lego Serious Play (LSP). Meistens geht es dabei um Strategieentwicklung. Aber auch beim Teambuilding könne LSP helfen, sagt Renner. Zu seinen Kunden zählt er Banken ebenso wie Familienunternehmen und Vereine. „Es ist irre, welche Dynamik so ein Workshop entwickeln kann“, sagt er sichtlich begeistert. Es sei phantastisch zu sehen, wie die Teilnehmer zu ihren Lösungen gelangten, wie immer mehr Bausteine auf den Tisch kämen.
Zu Beginn hat in diesem Spiel jeder die gleichen Voraussetzungen. Die Teilnehmer bekommen eine Tasche, in der exakt dieselbe Anzahl und Zusammensetzung an Steinen ist. Dann stellt der Moderator Fragen, die aufeinander aufbauen. Mithilfe der Lego-Steine sollen die Antworten gebastelt werden.
In den Neunzigern bei Lego entwickelt
Laut Renner würden in Konferenzen üblicherweise nur etwa 20 Prozent des vorhandenen Wissens angezapft, vor allem weil oft dieselben Leute zu Wort kommen. In seinen Seminaren sei das anders. „Alle werden gehört“, sagt er. Denn jeder Teilnehmer müsse über sein Modell sprechen. „Meine Aufgabe ist es dabei, tiefer zu gehen, nach Bedeutungen zu fragen.“ Persönliche Konfrontationen würden vermieden, man bleibe auf einer Sachebene: „Es geht immer um das Modell.“
LSP wurde Ende der Neunzigerjahre von Per Kristiansen und Robert Rasmussen entwickelt, die damals bei Lego arbeiteten. Sie haben die Methode ständig weiterentwickelt. 2010 gab der dänische Spielwarenhersteller den Geschäftsbereich LSP auf, produziert aber weiterhin die Sets für die Workshops. Kristiansen und Rasmussen konzentrieren sich mittlerweile auf die Ausbildung von sogenannten Facilitatoren, also Seminarleitern wie Renner. Der studierte Informatiker und an der Hochschule Rhein-Main ausgebildete Coach und Mediator nahm 2016 an einem viertägigen Ausbildungsseminar in Odense teil. Ein Jahr später machte er sich als Trainer in Frankfurt selbständig. Nach Angaben der offiziellen LSP-Website gibt es in Deutschland 52 solcher Facilitatoren, gut ein Drittel davon im Rhein-Main-Gebiet.
Mittlerweile gibt es auch andere Anbieter, die Trainer ausbilden. Denn die Bezeichnung LSP-Facilitator ist rechtlich nicht geschützt. Manche bieten zweitägige Seminare für die Ausbildung an. Renner hält davon wenig. In Dänemark habe seine Schulung 40 Stunden umfasst, und selbst das sei fast zu wenig gewesen. „Ich weiß nicht, wie man die ganzen Inhalte in nur zwei Tagen vermitteln will.“
Wer an einem von Renners Workshops teilnimmt, ahnt, dass es um mehr geht als um das Spiel mit Lego-Steinen. Die erste Aufgabe, die er den knapp 20 Teilnehmern an diesem Abend stellt: einen Turm bauen. Alle haben die gleichen 49 Steine bekommen. Dennoch wird schnell deutlich, dass jeder einen anderen Ansatz verfolgt. Die Ehrgeizigen wollen hoch hinaus, die Vorsichtigeren achten darauf, dass der Turm auf einem stabilen Fundament steht. Nach fünf Minuten wird in kleinen Gruppen besprochen, warum welcher Stein an welcher Stelle ist.
„Wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen“
Dann folgt eine neue Frage, der Turm wird umgebaut, anschließend zerstört. Mit jeder neuen Frage entsteht ein neues Modell, über das gesprochen wird. Renner mahnt, dass wirklich jeder zu Wort kommen müsse, und erzählt von Unternehmen, bei denen unzufriedene Mitarbeiter ihren Frust mithilfe der Lego-Steine darstellten. „Da jeder gleichberechtigt am Seminar teilnimmt, kann viel auf den Tisch kommen.“
Die Teilnehmerzahl für einen Lego-Workshop ist theoretisch unbegrenzt. Praktisch sieht es so aus, dass Gruppen von mehr als zwölf Personen in kleinere Gruppen aufgeteilt werden. Renner geht dann von Tisch zu Tisch, um sich die Ergebnisse anzuschauen. Bei sehr großen Gruppen arbeitet er auch mit Kollegen zusammen. Für solche Fälle gibt es größere Sets mit mehr als 2500 Steinen, mit denen ganze Unternehmenslandschaften aufgebaut werden können. „Wenn es geht, versuche ich meine Workshops auf wenigstens zwei Tage aufzuteilen. Dann können die Teilnehmer eine Nacht darüber schlafen und das Erlebte verarbeiten“, sagt Renner.
Vor Corona lief sein Geschäft gut. Doch die Pandemie hat ihn wie viele Selbständige hart getroffen. „Von heute auf morgen war Schluss.“ Seine Workshops kann er nicht online abhalten. „Die Methode wurde für Menschen entwickelt, die in einem Raum sitzen.“ Deshalb ist Renner froh, jetzt wieder Seminare geben zu können. „Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden, sondern wir werden alt, weil wir aufhören zu spielen.“