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Schule : Das Geschäft mit der Nachhilfe

Richtig rechnen: Schon in der Grundschule sehen viele Eltern Nachhilfebedarf

Richtig rechnen: Schon in der Grundschule sehen viele Eltern Nachhilfebedarf Bild: ddp

Es geht nicht nur ums Weiterkommen. Mit Nachhilfe wollen viele eifrige Eltern die Noten ihrer Kinder aufpolieren. Private Lehrer sind oft günstiger und flexibler als Institute.

          3 Min.

          Mehr als eine Million Schüler in Deutschland bekommen nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung Nachhilfe. Dafür geben die Eltern bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr aus. Deutsch, Englisch und Mathematik sind die Fächer, in denen der größte Nachhilfe-Bedarf besteht.

          Patrick Schlereth
          Redakteur vom Dienst bei FAZ.NET.

          Die Motivation der Eltern, einen Nachhilfelehrer zu buchen, hat sich verändert, wie Andrea Heiliger, Sprecherin des Bundesverbands der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen, feststellt. Ging es früher hauptsächlich darum, das Sitzenbleiben eines lernschwachen oder -faulen Kindes zu verhindern, so organisieren Eltern heute, mitunter auch schon während der Grundschule, Nachhilfe, um die Noten zu verbessern und ihren Kinder einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

          Da kann es sogar vorkommen, dass ein „Gut“ auf ein „Sehr gut“ getrimmt werden soll, wie ein Student, der Nachhilfe gibt, berichtet. „Die Schüler werden immer jünger, das ist ein beunruhigender Trend“, weiß auch Robert Hofer, Geschäftsführer des Unternehmens Top-Nachhilfe in Frankfurt.

          Institute kostspieliger als der privat organisierte Nachhilfe

          So oder so sollten Eltern nicht überstürzt in die erstbeste Nachhilfe investieren. Die Angebote unterscheiden sich erheblich voneinander. Grundsätzlich können Eltern zwischen kommerziellen Instituten mit Gruppen- und Einzelunterricht, privaten Nachhilfelehrern (Studenten) und Online-Lernhilfen wählen. Verbraucherschützer raten, bewusst auf Qualität zu achten.

          Die Nachhilfe-Institute, die in Schulstunden mit 45 Minuten abrechnen, sind oft kostspieliger als der privat organisierte Nachhilfeunterricht zu Hause, bei dem es auf die Minute nicht so genau ankommt. Bei den Instituten muss zudem in der Regel ein Vertrag unterschrieben werden, der zu wöchentlichen Unterrichtseinheiten verpflichtet. Das bietet Eltern einerseits die Garantie, dass der Unterricht auch regelmäßig stattfindet. Andererseits birgt ein Vertrag Fallstricke. Wird der Vertrag etwa nicht rechtzeitig gekündigt, verlängert er sich automatisch. Auch die Ferienzeit muss zum Teil mitbezahlt werden. Hinzu kommt in der Regel eine Vermittlungsgebühr von 30 bis 40 Euro.

          Im Schnitt 15 Euro die volle Stunde

          Der Bundesverband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen vertritt 2421 der rund 4000 privatwirtschaftlich organisierten Institute in Deutschland. Der Verband nehme nur Nachhilfeschulen auf, die ihren Unterricht auf die Stärken und Schwächen des Schülers abstimmten, sagt Verbandssprecherin Heiliger. „Nur eine individuelle Förderung kann dem Schüler wirklich helfen.“ Schulen im Verband bieten außerdem ein Beratungsgespräch an sowie eine kostenlose Probestunde. Diese sollten Eltern unbedingt wahrnehmen, um sich einen Eindruck zu verschaffen.

          Nachhilfeanbieter, die nicht zum Verband gehören, müssen jedoch nicht schlechter sein. Dass der Unterricht auf die Schwächen des jeweiligen Schülers ausgerichtet ist, gehört zum System der Nachhilfe - auch bei privaten Lehrern. Diese können den Unterricht oft günstiger (im Schnitt 15 Euro die volle Stunde) anbieten und sind in der Organisation flexibler. Eltern sollten sich aber vergewissern, dass der Lehrer zumindest das Abitur absolviert hat.

          Eine Stunde (45 Minuten) Einzelunterricht kostet bei den im Verband organisierten Schulen im Durchschnitt 21 Euro, gibt Heiliger an. Der durchschnittliche Preis für eine Schulstunde Gruppenunterricht liege zwischen zehn und elf Euro. Eine Aufnahme im Verband hänge aber nicht davon ab, wie teuer die Institute sind. „Das sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die ihre Preise selbst festlegen“, sagt Heiliger. „Wichtig ist, dass die Qualität des Lehrers stimmt.“

          Vier Schulstunden = 180 Euro

          In Frankfurt gibt es ein umfassendes Angebot von kommerziellen Nachhilfeeinrichtungen, die Gruppenunterricht anbieten. Die Lernhilfe etwa betreibt vier Filialen in Frankfurt mit rund 600 Kunden. Für 82 Euro im Monat bietet das Institut zwei Schulstunden in der Woche an, vier Schulstunden kosten 118 Euro. Die Schüler werden in Gruppen von maximal vier Personen betreut. Die Mindestlaufzeit des Vertrags beträgt drei Monate, im Ausnahmefall werden allerdings auch kürzere Unterrichtsblocks angeboten. Die Lernhilfe beschäftigt hauptsächlich Studenten als Lehrkräfte. „Jüngere Lehrer finden oft einen guten Draht zu den Schülern“, meint Wolfgang Reuter, Geschäftsführer der Filialen in Frankfurt.

          Die Einrichtung Top-Nachhilfe bietet Einzelunterricht bei den Schülern zu Hause an und beschäftigt ebenfalls Studenten als Lehrkräfte. Eine Schulstunde kostet elf Euro, zum ersten Termin fällt eine Gebühr von 44 Euro für die Vermittlung des Lehrers an. Dafür wird der Unterricht ohne Vertragsbindung angeboten. Der Schüler geht somit keine Pflicht ein, wöchentlich eine gewisse Anzahl von Stunden wahrzunehmen.

          Warnung vor Abo-Fallen

          Das Nachhilfeinstitut Multiconcept hat sogar Kunden aus dem Kindergarten. „Das Ziel bei diesen Kindern ist die zusätzliche Förderung auf spielerische Art, als Vorbereitung auf die Grundschule“, erklärt Annika Nieder das Konzept. Das bundesweit arbeitende Institut bietet auch Online-Unterricht an, bei dem sich Lehrer und Schüler über ihre Computer sehen und hören können. Dadurch hätten die Kunden den Vorteil, „räumlich unabhängig und zeitlich flexibler Nachhilfe zu nehmen“, sagt Nieder.

          Bei Lernhilfen im Internet sollten Eltern aber grundsätzlich vorsichtig sein. Wenn die Eingabe von persönlichen Daten verlangt wird, steckt oft ein kostenpflichtiges Angebot dahinter. „Viele Internet-Anbieter verstoßen gegen das Gebot der Preisklarheit“, sagt Ute Bitter von der Verbraucherzentrale Hessen. Der Kunde erkenne das Kleingedruckte oft nicht auf den ersten Blick. Die Verbraucherzentrale warnt daher auf ihrer Internetseite www.verbraucher.de (Stichwort: Telekommunikation und Internet) vor Abo-Fallen und gibt Tipps, wie man sich vor unseriösen Anbietern schützen kann.

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