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Nach missratener PR-Aktion : Fintech-Chef entschuldigt sich, will aufklären und mit Kunden grillen

Hat in diesen Tagen viel zu erklären: Savedroid-Gründer Yassin Hankir Bild: Etienne Lehnen

Mitte April war die Seite des Spar-App-Anbieters Savedroid plötzlich tot, der Chefs twitterte komische Botschaften. Kunden des Fintechs bekamen Panik. Nun zeigt der Chef Reue und macht Kunden ein Angebot.

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          Lächeln, fester Händedruck, das Hemd locker über der Hose: Der Buhmann vieler Gründer sieht aus wie Anfang April, als er noch der Star seiner Branche war. Doch wie sieht es im Inneren von Yassin Hankir aus, zwei Wochen nach seiner beispiellosen Aktion im Internet, als er vorgab, sich mit dem Geld seiner Anleger abgesetzt zu haben? Wie viele Kunden hat seine Savedroid AG verloren? Über die mit der Ausgabe von Krypto-Geld im Internet verbundenen Risiken hatte der Chef des Frankfurter Start-ups nach eigenem Bekunden aufklären wollen, angesichts eigener Erfahrung mit Betrügereien.

          Thorsten Winter
          Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für Mittelhessen und die Wetterau.

          Der Schuss ging aber nach hinten los: In sozialen Netzen und im wirklichen Leben haben Kunden ihn in scharfen Worten kritisiert, andere Start-ups aus dem Kreis der Finanztechnologie, kurz Fintechs genannt, distanzierten sich öffentlich von Hankir. Dabei hatte er kurz zuvor noch online 40 Millionen Euro mit der Ausgabe von Krypto-Wertgutscheinen von Privatanlegern eingesammelt – als erst zweites Start-up in Deutschland, das solch einen ICO (Initial Coin Offering) probierte.

          „Die Aktion ist nicht gut gelaufen“

          Nun sitzt der 37 Jahre alte Gründer aufrecht im Sessel, faltet die Hände vor Mund und Kinn und überlegt. Wie es ihm gehe? „Eine gute Frage“, sagt er. Er und seine beiden Mitgründer hätten die „sehr heftigen Reaktionen aus der Fintech-Szene“ reflektiert und seien zu der Erkenntnis gelangt: „Die Aktion ist nicht gut gelaufen.“ Etwas später sagt er sogar: „Die Aktion ist richtig schlecht gelaufen.“ Dafür wollten er und Savedroid sich bei den Investoren in ihre Krypto-Wertgutscheine und die Nutzer ihrer Spar-App „aufrichtigst entschuldigen“. Seine Firma habe für Stress gesorgt bei Kunden und Partnern, die bei ihnen investiert hätten. „Das wird nicht wieder vorkommen“, verspricht er.

          Wer diese Entschuldigung und die von Savedroid weltweit verursachte Aufregung verstehen will, muss sich an das Folgende erinnern: Mitte April erschien auf der Savedroid-Internetseite statt des üblichen Auftritts ein Comic-Mann aus der Fernsehserie „South Park“ mit weit aufgerissenen Augen und der Satz „Aannnd it’s gone“. Telefonate mit der Zentrale liefen ins Leere, es meldete sich nur eine Bandansage. Hankir selbst veröffentlichte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nur den Spruch „Thanks guys! Over and out...“. Dazu zwei Bilder; das eine mit erhobenem Daumen mutmaßlich auf dem Frankfurter Flughafen, das zweite eine Hand, die vor einer Strandkulisse eine Flasche einer ägyptischen Biermarke hält. Auf Anrufe reagierte Hankir ebenso wenig wie auf Tweets, die für die Öffentlichkeit nicht zu lesen sind.

          Ermittler: „fragwürdige PR-Aktion“

          Zwar war die App nicht beeinträchtigt, wie Nutzer im Internet berichteten. Doch zog die Aktion einen Aufschrei in der ganzen Welt nach sich. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft prüfte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betrugs gegen Savedroid. Auch wenn sich der Verdacht für die Ermittler nicht erhärtete, bleibt ein Imageschaden, wie Stimmen aus dem Kreis der Fintechs meinen: Savedroid habe der ganzen Branche geschadet, Investoren und potentielle Käufer von Krypto-Gutscheinen anderer Start-ups seien verunsichert.

          Hat die Frankfurter Firma durch seine „fragwürdige PR-Aktion“ (Staatsanwaltschaft Frankfurt) denn selbst Kunden verloren? Hankir verneint diese Frage, was verwundern mag. „Netto“, also Ab- und Zugänge gegeneinander gerechnet, habe sich die Zahl der Nutzer der 200.000 Mal heruntergeladenen Spar-App nicht verändert. Auch hielten die Geldgeber, etwa die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, weiter der Firma die Treue. Das Treffen mit dem Aufsichtsrat wenige Tage nach der Aktion sei ein „produktives Meeting“ gewesen, sagt Hankir, ohne Einzelheiten zu nennen.

          „Community Barbecue“ am Mittwoch

          Detailfreudiger berichtet er über geplante Konsequenzen aus der Aktion: Seine Firma wolle „größtmögliche Transparenz“ zeigen. Etwa bei Frage- und Antwort-Runden in Echtzeit über Facebook, bei denen er hinter der Webcam sitze und sich in Deutsch und Englisch zu den Nutzer-Eingaben äußere. Für diesen Mittwoch, 18 Uhr, lädt Savedroid erstmals zum „Community Barbecue“ in seine neue Zentrale im Haus Hanauer Landstraße 121 ein.

          Darüber hinaus strebt Hankir eine Interessenvertretung von Firmen an, die per ICO Krypto-Geld schaffen und seriöse Geschäfte machen wollen. Die noch zu bildende Gruppe wolle sich Regulierern als Ansprechpartner anbieten. Zudem werde er eine Checkliste online stellen. Anhand weniger Punkte könnten Anleger prüfen, ob ein Anbieter von Krypto-Geld seriös sei. Anlass: „Wir haben gesehen, dass viele Leute von Gier getrieben investieren und nicht gut informiert sind.“

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