Lebensmittelmarkt : Kunden greifen kaum zu gentechnikfreier Milch
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Faustregel laut Bauernverband: Wird nicht darauf hingewiesen, dass ein Produkt „ohne Gentechnik“ ist, dann hat die Kuh wahrscheinlich gentechnisch verändertes Futter bekommen. Bild: Wohlfahrt, Rainer
Die meisten Verbraucher lehnen Gentechnik im Essen ab. Gentechnikfreie Milch spielt aber trotzdem nur eine Nebenrolle im Handel. Deswegen stellen viele Bauern nicht um.
Wer richtig sucht, der findet sie in Supermärkten der Region auch: gentechnikfreie Milch aus Hessen. Tegut aus Fulda zum Beispiel bietet in seinen Märkten ein Dutzend Marken von Herstellern an, die Milch von Kühen verarbeiten, die kein „Gen-Soja“ aus Brasilien gefressen haben. Die Frage ist nur: Wer sucht im Kühlregal gezielt nach der grünen Raute mit dem Schriftzug „Ohne Gentechnik“?
Im Grunde müsste sie ein Verkaufsschlager sein, die Milch von Kühen, die nur Gras und Kräuter von heimischen Weiden und dazu Getreideschrot aus regionalem Anbau bekommen. Denn nicht nur in Hessen lehnt die große Mehrheit der Verbraucher die „grüne“ Gentechnik ab, bei der das Erbgut von Pflanzen verändert wird. Doch Günter Berz-List hat seine eigenen Erfahrungen gemacht: „Der Verbraucher, wie er spricht und wie er handelt, das sind zwei paar Schuhe.“ Anders gesagt: Im Zweifelsfall entscheidet der Preis und nicht das gute Gewissen.
Schwälbchen-Milch nicht gentechnikfrei
Berz-List führt die börsennotierte Schwälbchen-Molkerei. Der Mittelständler aus Bad Schwalbach im Taunus ist eine der wenigen Molkereien mit Sitz in Hessen und vertreibt seine Produkte in grünen Packungen. Seine 400 Lieferanten müssen stets ein Futtermittelbuch führen. Die Auflage, nur gentechnikfreies Sojaschrot zu füttern, macht Schwälbchen den Milchbauern gleichwohl nicht. Anders gesagt: Faktisch stammen also die Schwälbchen-Produkte, wie die der meisten Konkurrenten auch, von Kühen, die wahrscheinlich auch gentechnisch verändertes Futter gefressen haben. Allerdings lässt sich das ohnedies in der Milch nicht nachweisen.
Berz-List hat durchaus mit dem Gedanken gespielt, in seinem Betrieb zusätzlich eine gentechnikfreie Produktion einzurichten. Das war vor drei Jahren, als das Thema „gehypt“ wurde, wie er sagt. Doch nun liegt die Sache bei den Akten. Im Supermarkt werde derlei zu selten gekauft: „Der Verbraucher hat diese Milch einfach nicht gegriffen.“ Wie ist es zu erklären, dass gentechnikfreie Milch im Kühlregal nur eine nachrangige Rolle spielt? Klaus Wronski von der Upländer Bauernmolkerei in Willingen meint: „Vielleicht gibt es noch zu wenige, die sie ganz gezielt wollen.“
Kaum ein Produzent stellt um
Diese Aussagen stehen im ersten Blick in Gegensatz zur Angabe von Tegut, nach der 60 Prozent der in den Supermärkten der Fuldaer verkauften Milch gentechnikfrei sei; bei Milchprodukten wie Quark und Joghurt betrage der Anteil immerhin ein Drittel. Dabei ist aber zu bedenken, dass Tegut großen Wert auf Naturnähe und Ursprünglichkeit legt und nur ein recht kleiner Spieler auf dem Lebensmittelmarkt ist.
Milch wird vor allem von Discountern verkauft, und Milchtüten mit der „Ohne Gentechnik“-Raute sind in diesen Läden dünn gesät. Den Anteil gentechnikfreier Milch am Gesamtmarkt beziffert der Schwälbchen-Chef denn auch auf deutlich unter fünf Prozent – bei Milchprodukten sei er so niedrig, dass er kaum messbar sei. Zuletzt sei er vor zweieinhalb Jahren von einem Lebensmittelhändler nach gentechfreier Milch gefragt worden, berichtet Berz-List weiter. Und er kenne auch keine Molkerei, die in den vergangenen zwei Jahren ihre Produktion umgestellt habe, um die grüne Raute auf ihre Produkte kleben zu können.
Regionale Milch mit Futter aus Brasilien
Die bisher letzte hessische Molkerei, die dieses Wagnis eingegangen ist, sitzt in Marburg und war zwischenzeitlich an Schwälbchen verpachtet. 2012 ging die Genossenschaft mit dem neuen Namen Marburger Traditionsmolkerei an den Start. Die vom geschäftsführenden Vorstand Hans-Werner Wege geführte Firma setzt auf Milch von Höfen, die auf Futter aus gentechnisch verändertem Saatgut verzichten, und auf Regionalität, das große Wachstumsthema im Lebensmittelhandel. Die Rohware wird aus einem Radius von nur 70 Kilometern angeliefert und auch in der Region vertrieben. Wobei die Mittelhessen den Begriff „Region“ beim Verkauf deutlich weiter auslegen als bei der Anlieferung: Zu haben ist die Milch außer bei Gutkauf und in Markthallen im Raum Marburg auch bei Edeka, Rewe und Tegut im Rhein-Main-Gebiet.
Wie Wege sagt, hatte er keine Probleme, seine 68 Lieferanten davon zu überzeugen, nur gentechnikfreies Futter zu verwenden. „Es macht doch keinen Sinn, die Karte Regionalität zu spielen und dann Futter aus Brasilien einzukaufen“, gibt er zu bedenken. Auch Wronski von der Upländer Bauernmolkerei mag über einen Mangel an Lieferanten, deren Vieh nur Futter aus heimischem Anbau frisst, nicht klagen.
Tegut startet Projekt „faire Milch“
Grundsätzlich muss Sojaschrot aus Südamerika auch nicht sein, wie Hans Foldenauer vom Bund deutscher Milchviehhalter sagt. Mit Grünfutter sowie Ackerbohnen, Erbsen und Klee von heimischen Feldern sei der Eiweißbedarf gut abzudecken. Dass viele Landwirte dennoch Sojaschrot als Eiweißfutter aus Brasilien hinzukauften, liege an der intensiven Milchwirtschaft mit vielen Tieren auf kleiner Fläche und einem Mangel an Möglichkeiten zum Anbau heimischer Eiweißpflanzen.
Allerdings bemühen sich Handelsketten um Abhilfe. Tegut hat den Verein „Lebensmittel ohne Gentechnik“ mitgegründet, der das Rauten-Logo verleiht, und sucht das Gespräch mit Molkereien, wie eine Sprecherin versichert. „Das jüngste Projekt ist eine ,faire Milch‘, die regional aus dem Vogelsberg kommt und das Logo ,ohne Gentechnik‘ trägt. Diese Milch können die Kunden ab Juli 2014 kaufen.“ Ob sie diese Produkte dann auch tatsächlich kaufen, weiß natürlich noch niemand.
Rewe, Marktführer in Rhein-Main, will als Gründungsmitglied des Donau-Soja-Vereins den gentechnikfreien Sojaanbau in Europa fördern. Rewe hält Erzeuger zudem an, heimische Eiweißpflanzen statt Soja zu verfüttern. Das soll dem Ziel von Rewe dienen, die eigenen Handelsmarken frei von Gentechnik anzubieten. Ein Vorhaben nicht ohne Risiko: Ob die Kunden das honorieren und plötzlich wirklich in großen Mengen gentechnikfreie Milchprodukte kaufen, weiß niemand.