Fachkräftemangel : Junge Köche dringend gesucht
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Fast schon ein Kräuterquark: Bärlauch und Schnittlauch in legaler „Handstraußgröße“. Bild: Samira Schulz
Nur wenige Betriebe wollen noch selbst ausbilden, doch der Bedarf ist groß. Vor allem im Main-Taunus-Kreis sorgt man sich um den Nachwuchs in der Gastronomie.
Den Löwenzahn kennt jeder. Den Bärlauch kennen auch noch einige, aber er ist nicht ganz so leicht zu finden. Die angehenden Gastronomen schlagen sich ins Gebüsch, Carolin Pfaff stapft voran. Die Revierleiterin im Forstamt Königstein betreut das Revier um Kronberg und Altkönig, und dazu gehört auch das Arboretum am Camp Phönix zwischen Eschborn, Schwalbach und Sulzbach. Hier stehen Bäume aus aller Welt, sortiert nach Kontinenten. Anfang der Achtzigerjahre wurden sie gepflanzt, und nun, in Zeiten des Klimawandels, sind die Förster froh, so viele Arten im Umgang mit den trockenen, heißen Sommern beobachten zu können.
Für die Köche, die „Hofas“ und die „Refas“ – wie die Hotel- und Restaurantfachleute genannt werden –, ist es vor allem ein netter Ausflug und Abwechslung vom Alltag. Außerdem sehen sich die beiden Berufsschulgruppen aus Main-Taunus- und Hochtaunuskreis, aus Kriftel und Usingen, nicht so oft. Dabei geht es in Sachen Lehr- und Schulort oft munter durcheinander.
Hohe Abbrecherquote
Joshua von der Berufsschule in Kriftel zum Beispiel: Er lernt im Falkenstein Grand in Königstein und ist durch seine Bärlauch sammelnden Eltern bestens mit der Materie vertraut. Er hat Glück mit seinem Betrieb, lernt viel, berichtet er. Und es mache Spaß. Andere halten fragend Grashalme hoch, müssen sich auslachen lassen und geben dann grinsend auf. Dass noch mit frischen Kräutern gekocht wird und nicht mit Convenience Food, ist auch in Ausbildungsbetrieben nicht selbstverständlich.
Das Scharbockskraut mit seinen daumennagelgroßen, rundlichen Blättern kennt kaum jemand. Dabei sei es besonders würzig, sagt Rene Westenberger, der an der Berufsfachschule Kriftel die Köche ausbildet und früher im Frankfurter Tigerpalast in der Küche stand. Er sei regelmäßig auf der Suche nach Essbarem durch die Wälder gestreift, berichtet er. Legal mitnehmen darf man übrigens Kräuter oder Pilze in Handstraußgröße.
Nur sieben Köche lernen momentan in Westenbergers zweitem Jahrgang. Bis vor Kurzem waren es noch neun, die Abbrecherquote sei hoch – was nicht immer nur an den Lehrlingen liege. In seiner Klasse müsse er Schlosshotel mit Landgasthof verbinden, sagt er.
Nicht jeder komme mit dem Beruf gut zurecht, in dem man flexibel und teamfähig sein müsse, stressresistent und ein bisschen kreativ. Mit dem, was zu Hause am Herd geschehe, habe der Beruf nur wenig zu tun. Doch durch die Pandemie und die damit verbundenen Schließungen habe der gute Ruf des Kochdaseins, dass immer gegessen werde und die Branche daher solide und krisenfest sei, an Wirksamkeit verloren.
Riesiger Bedarf
Dabei ist der Bedarf an Köchen nach wie vor riesig. Manche Betriebe riefen bei der Schule an und fragten nach frisch ausgebildeten Fachkräften. Die Bereitschaft, selbst auszubilden, sei aber gering. Gleich vor den Toren des Arboretums liegt Eschborn Süd mit seinen zahlreichen Hotels, kein einziges davon nehme Lehrlinge an, berichtet Westenberger.
Die Zahlen, die die IHK angibt, sprechen für sich. Im Hochtaunuskreis meldeten sich in den Pandemiejahren jeweils etwa fünfzig Auszubildende für den Gastronomiesektor an, 2022 verdoppelte sich die Zahl auf erfreuliche 106 Neuanmeldungen. Im Main-Taunus-Kreis dagegen dümpelt die Zahl seit drei Jahren bei rund 20, im vergangenen Jahr waren es 19 Neuanmeldungen. Wenn die Zahlen so blieben, werde wohl eine der Schulen geschlossen werden, sagt Karsten Kleinschmidt, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbands Dehoga Taunus, des Organisators des heutigen Ausflugs.
Vor etwa zwei Jahren wurden die Kreisverbände Main-Taunus und Hochtaunus zusammengelegt. Es mangele auch an Ehrenamtlichen, die sich im Vorstand des Arbeitgeberverbandes engagieren wollten. Das sei aus vielen Gründen schade, sagt Kleinschmidt „Denn nur wenn wir genug Mitglieder haben, können wir uns Veranstaltungen wie den Besuch im Arboretum leisten.“ Und das wäre wirklich schade.
„Unser größtes Problem ist, dass sich alle beschweren, und immer weniger wollen ausbilden“, fasst Kleinschmidt zusammen. Er selbst betreibt in dritter Generation den Landgasthof Ziegelhütte in Weilrod und würde sehr gerne Lehrlinge aufnehmen, findet aber niemanden. Deshalb muss der Dehoga Taunus gleich in zwei Richtungen tätig werden. „Wir wollen aktiv Betriebe ansprechen und im Schulterschluss mit der IHK Werbung machen“, sagt er.
Aber gleichzeitig sucht er auch den Weg über den Kreis, um in den Schulen für die Gastronomiebranche zu werben. Zudem wurde in Hessen der Tariflohn auf tausend Euro für das erste Lehrjahr hochgesetzt – auch wenn manche Betriebe da heftig schlucken müssen. Denn leicht hat es die Gastronomie momentan nicht. Zu den gestiegenen Rohstoffpreisen und dem Fachkräftemangel kommt im nächsten Jahr hinzu, dass statt dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Speisen wieder 19 Prozent fällig werden sollen.
Die Auszubildenden aus Usingen und Kriftel stoßen im Arboretum endlich auf ein Kraut, das wirklich alle kennen. Aber Schnittlauch – mitten im Wald? „Das haben wir uns auch gefragt, auf jeden Fall ist er da“, sagt Försterin Pfaff. Westenberger nutzt die Gelegenheit, bei seinen Schülern die sieben Kräuter der grünen Soße abzufragen. Und zwar die richtigen Kräuter, denn nach dem deutschen Standard-Lehrbuch „Der junge Koch“ kommt auch Dill hinein. Gut, dass es Berufsschullehrer gibt, die es besser wissen.