Weihnachtsgeschäft : Kämpfen, hoffen, lächeln
- -Aktualisiert am
Ho Ho Ho: Im Schaufenster der Galeria an der Frankfurter Hauptwache hat der Weihnachtsmann aus Klemmbausteinen seinen großen Auftritt. Bild: Lucas Bäuml
Mit gemischten Gefühlen blicken Frankfurter Händler vor dem ersten Adventswochenende auf das Weihnachtsgeschäft. Es gäbe viel aufzuholen. Die Skepsis, dass es gelingt, ist groß.
Die Rolltreppen stehen. Zumindest einige. Die Galeria an der Hauptwache hat sie abgestellt, um Energie zu sparen. Aus Kostengründen bleibt erstmals seit Jahren die Lichterkette an der Berger Straße im Keller, die sich mit einer Länge von zwei Kilometern als die längste in Frankfurt rühmt. Und auf dem Vordach vom Einkaufszentrum My Zeil fehlt der Hirsch, der in früheren Jahren stets zum dynamischen Sprung in die aufregende Dacharchitektur ansetzte. Nur die beiden Rehe sind noch da und schauen sich, allein gelassen, bang um, so als trauten sie der Stabilität des Daches nicht.
Ähnlich angespannt blickt manch ein Frankfurter Händler vor dem ersten Adventssamstag auf die nächsten Wochen, in denen sie üblicherweise einen Großteil ihres Jahresumsatzes machen und Speck für schwächere Zeiten anlegen. Doch danach sieht es in diesem Jahr nicht aus. Inflation, Krieg und Energiepreise bremsen die Kauflaune. Preisbereinigt geht der Handelsverband Hessen in seiner Prognose für die Monate November und Dezember, wie berichtet, sogar von einem Umsatzminus von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus.
Vor allem Modehändler spüren die Kaufzurückhaltung. Kevin Nemati, Boutiquenbesitzer an der Berger Straße, spricht vom „schlimmsten Herbst-Winter-Quartal“, das er in rund 30 Jahren als Modehändler erlebt habe. „Während Corona ging es mir besser“, stellt der Vorsitzende des Gewerbeverein Untere Berger Straße fest. „Ich überlege es mir noch einmal“ ist ein Satz, den er und seine Mitarbeiterinnen zurzeit häufig hören. Oder: „Ich habe gerade wenig Zeit, ich komme später noch einmal vorbei.“ Um Ware loszuwerden, macht auch Nemati bei der Rabattschlacht rund um den sogenannten Black Friday mit, doch 20 Prozent reichten vielen Kunden nicht, wie er sagt. Er versuche trotzdem die Laune aufrechtzuerhalten. „Wir kämpfen.“
Weihnachtsmarkt direkt vor der Ladentür
Auch Thomas Lehr, der zwei Parfümerien in Frankfurt betreibt, blickt sorgenvoll in die Zukunft. „Die nächsten Wochen sind kriegsentscheidend. Bleiben die Umsätze aus, ist die Rendite in Gefahr.“ Die Frankfurter Innenstadt leide noch darunter, dass viele im Homeoffice arbeiteten, auch fehlten weiterhin die Touristen, und die Messegäste seien noch nicht in ausreichender Zahl zurück, stellt der Geschäftsmann fest. Er selbst könne sich auf seine älteren Stammkunden verlassen. Grundsätzlich aber gingen seit den Sommerferien die Besucherzahlen in den Einkaufsstraßen zurück.
So gesehen hat die Schmuck-Boutique Moseler und Reichert, benannt nach den beiden Inhaberinnen, Glück. Das Geschäft liegt am Römerberg, hat den Weihnachtsmarkt und Kunden direkt vor der Ladentür. „Wir sind bester Dinge“, sagt Goldschmiedin Kristine Reichert. Sie hätten gute, treue Kunden. Zudem seien wieder viele Touristen in der Altstadt unterwegs, auch asiatische Gruppen.
Vergleichsweise gut zu tun haben auch Händler, die Weihnachtskarten, Papierbögen und den üblichen Adventsschnickschnack verkaufen. „Die letzten Tagen waren schon knackig“, sagt Cordula Fanger, Inhaberin des Fachgeschäfts Schmidt’s Papeterie an der Schweizer Straße in Sachsenhausen. Ihr Geschäft profitiere von einem Umfeld und einer Kundschaft, die nicht unbedingt auf den Euro schauen müsse, sagt Fanger. „Ich bin entspannt.“
Für Christian Völker, seit einem Jahr Geschäftsführer beim Haushaltswaren- und Spielzeuggeschäft Meder in Bornheim, ist es das erste Weihnachtsgeschäft – und kein einfaches, wie er deutlich macht. „Es wird gekauft, aber der Durchschnittsbon ist trotz steigender Preise deutlich kleiner als in früheren Jahren.“ Statt der großen Legowelt werde es dann mal nur eine einzelne Legofigur. Gleichwohl geht auch der Meder-Chef wie andere Händler davon aus, dass bei den Kindern an Weihnachten am wenigsten gespart wird. Und so erwartet er, dass sich ferngesteuerte Autos, die sich auch bei der diesjährigen Wunschzettelaktion für bedürftige Kinder in seinem Laden als Bestseller herausstellen, weiter gut verkaufen, ebenso die Spiele des Jahres für Kinder und Erwachsene. Seine Hoffnung stützt sich auch auf die Inflationsausgleichs-Bonuszahlungen, die Unternehmen ihren Beschäftigten steuer- und abgabenfrei auszahlen können.
Seine Erwartungen seien nicht überschwänglich, sagt Philipp Keller, Chef vom Haushaltswarengeschäft Lorey im My Zeil, aber im Großen und Ganzen sei die Stimmung nicht schlecht. Die Frequenz in November hat für ihn gestimmt. Allerdings werden auch die Bons bei Lorey kürzer. In jedem Fall werde bewusster gekauft, sagt Keller, lieber auch Qualität. Immer öfter bekämen seine Verkäuferinnen auch die Frage gestellt, wo etwas herstellt werde.
Grund zum Klagen hätte Goran Djukic, Inhaber der Boutiquen für Wohnen und Geschenke, Liebesdienste Home und Men Limited, am Oeder Weg, dem zuletzt 40 Prozent Umsatz im Vergleich zum Vorjahr fehlten, wie er sagt. Um sich selbst und seine Kundschaft bei Laune zu halten, hat er gerade Papiertüten in Auftrag gebeben mit dem Aufdruck: Nimm Dir Zeit zu lächeln.