Versicherungen : Deutsche Familienversicherung will kein Insurtech mehr sein
- -Aktualisiert am
Stefan Knoll, Vorstandschef der Deutschen Familienversicherung Bild: Stephan Lucka
Die Deutsche Familienversicherung schreibt schwarze Zahlen, setzt auf Digitalisierung und neue Produkte. Nur mit einer Sache ist der Vorstandschef nicht zufrieden.
Das erweiterte Wohnzimmer war hergerichtet. Auf dem Videowürfel im Frankfurter Waldstadion liefen Marketingbotschaften der Deutschen Familienversicherung rauf und runter, und auch auf den Werbebanden am Spielfeldrand waren das Logo und diverse Slogans des Frankfurter Unternehmens zu sehen. Die Deutsche Familienversicherung, 2007 gegründet, sucht zunehmend das Licht der Öffentlichkeit, schaltet TV-Spots und will damit die eigenen Ansprüche demonstrieren.
Die Zeiten, in denen sich der Versicherer als größtes Insurtech Deutschlands – so werden digitale Start-ups der Branche genannt – bezeichnete, sollen vorbei sein. Chef Stefan Knoll sieht sein Unternehmen aus den Gründerschuhen entwachsen. „Wir wollen kein Insurtech mehr sein, denn wir sind größer und breiter aufgestellt. Wir sehen uns als digitalen Direktversicherer.“
Was das bedeutet, erläuterte Gründer und Vorstandsvorsitzender Knoll am Donnerstag in der Event-Loge der Frankfurter Eintracht, deren Premiumpartner die Familienversicherung ist. Dass das mehr bedeutet, als das eigene Logo auf digitale Werbetafeln zu projizieren, hat das Unternehmen kürzlich demonstriert, als die Versicherung einen eigenen Versicherungsshop auf der Plattform der Eintracht eröffnete. So soll die Deutsche Familienversicherung von den inzwischen 120.000 Mitgliedern der Eintracht profitieren.
Profitabler dank digitaler Prozesse
Ein Weg zu mehr Profitabilität steckt für Knoll seit jeher in der Digitalisierung. Welche Möglichkeiten darin liegen, zeigt die Entwicklung von Mitarbeiterzahl und Versicherungsbeiträgen. Im Vergleich zu 2014 ist die Zahl der Beschäftigten des Unternehmens mit etwa 180 – bei einigen Schwankungen – weitgehend gleich geblieben; im selben Zeitraum dagegen hat sich die Summe der gebuchten Beiträge in etwa verfünffacht, auf 183,5 Millionen Euro.
Am Aktienkurs macht sich diese Entwicklung derzeit allerdings nicht bemerkbar. Seit dem Börsengang im Dezember 2018 hat sich der Wert des Papiers um etwa ein Viertel verringert, auf derzeit gut neun Euro. „Damit sind wir natürlich nicht zufrieden“, sagte Finanzchef Karsten Paetzmann. Dass sich die Beitragseinnahmen seit dem Börsengang verdreifacht haben, bilde sich im Kurs nicht ab, monierte auch Stefan Knoll, „er gibt nicht wieder, wer wir sind und wo wir stehen“. Nun wolle man sich verstärkt den Investoren zuwenden, hieß es.
Erstmals seit dem Börsengang hat das Unternehmen im vergangenen Jahr wieder einen Gewinn erwirtschaftet, er lag bei 1,7 Millionen Euro und damit höher als das ursprünglich geplante leicht positive Vorsteuerergebnis von null bis einer Million Euro.
Abschlüsse mithilfe von Chatbots
Wichtigstes Geschäftsfeld der Familienversicherung, die ihren Sitz am Frankfurter Reuterweg hat, sind Krankenzusatzversicherungen, bei denen zwei Drittel der Beiträge aus der Zahnzusatzversicherung kommen. Dieses Produkt ist auch Vorreiter bei der digitalen Abwicklung von Verträgen: Ein Großteil der Schäden könne inzwischen vollständig digital abgewickelt werden. So bedürften zum Beispiel 85 Prozent der Zahnreinigung keines menschlichen Eingriffs mehr, um die Rechnung zu prüfen und den Betrag an die Versicherten auszuzahlen.
Diese Digitalisierung will Knoll weiter vorantreiben. Dass die Familienversicherung hier kreativ und bereit ist, neue Dinge schnell auszuprobieren, hat das Unternehmen bereits bewiesen, als es sehr früh den Abschluss von Verträgen mithilfe des Sprachassistenten Alexa des Digitalriesen Amazon ermöglichte. Künftig will sich der Versicherer Künstlicher Intelligenz bedienen, um über die App mithilfe eines Chatbots Abschlüsse via Sprache möglich zu machen.
Bis 2027 will Knoll das Bestandsvolumen auf 200 Millionen Verträge erhöhen und dann auch erstmals seinen Investoren eine Dividende auszahlen. Dafür setzt das Unternehmen auch auf neue Produkte, etwa einen Kombi-Schutz für Familien oder eine Anwendung namens „Snap“, mit der sich auf Knopfdruck für fünf Euro eine Unfallversicherung ohne weitere Vertragsbindung abschließen lässt.
Und damit die Mitglieder von Eintracht Frankfurt auch etwas davon haben, sollen die Anhänger sogar 48 Stunden von der Versicherung geschützt sein, zum Beispiel bei Auswärtsspielen, wie Knoll scherzte. Die Partnerschaft mit dem Erstligaklub will Knoll gerne verlängern. Schließlich ist das Waldstadion für sein Unternehmen eine Art zweites Wohnzimmer geworden.