Einzelhandel : Fabrikverkaufszentrum in Wertheim hofft auf Besuch aus Rhein-Main
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"Wir haben unsere Outlet Center quasi mitten in der Innenstadt", meint denn auch der Präsident des hessischen Einzelhandelsverbands, Frank Albrecht. "Wertheim Village" mit zur Zeit 11000 Quadratmeter Verkaufsfläche und etwa zwei Dutzend bereits eröffneten Geschäften ist aus seiner Sicht für den Einzelhandel im Rhein-Main-Gebiet so wenig eine Gefahr wie das Factory Outlet Center in Zweibrücken. "Darüber spricht hier heute doch niemand mehr", meint Albrecht. Und mit einer Verkaufsfläche von zur Zeit 15000 Quadratmetern und etwa 50 Modemarken ist das Angebot dort im Moment sogar noch erheblich größer als in Wertheim. Allerdings sind es aus dem Rhein-Main-Gebiet bis nach Zweibrücken etwa 150 Kilometer, nach Wertheim nur etwas mehr als 110. Gerade die Textilbranche in und um Aschaffenburg, das man auf dem Weg von Rhein-Main nach Wertheim passiert, sei da schon eher als Konkurrenz zu betrachten, so Albrecht. Was die Menge der reduzierten Ware betrifft, ist das Wertheimer Schnäppchen-Center freilich im Vorteil gegenüber den Einzelhandelsgeschäften der Städte. Ein Preisnachlaß von 70 Prozent ist gleichwohl auch hier die Ausnahme, die Regel sind eher 20 bis 50 Prozent. In den bereits eröffneten Wertheimer Outlet-Geschäften ist nur Gutes über den Start zu erfahren: "Wir sind wirklich sehr, sehr zufrieden", heißt es bei Sarar, einem Herrenmodeanbieter. Bei Versace das gleiche Urteil, die Mitarbeiter der australischen Trendmodefirma Quicksilver schließen sich an: "Es läuft prima."
Auch die Wirtschaftsförderung Wertheim ist zufrieden: Der Schnäppchenpark vor den Toren bringt mehr Besucher in die Innenstadt, meldet sie. Das bestätigt Berthold Jäger, stellvertretender Vorsitzender der Werbegemeinschaft "Aktuelles Wertheim". Ob es sich auch in einem Umsatzplus der Einzelhändler niederschlägt, könne man zur Zeit noch nicht sagen.
Um mit den Nachbarn, die zunächst überhaupt nicht begeistert über den Zuzug waren, doch noch zumindest eine Art friedliche Koexistenz zu erreichen, haben sich die Betreiber des Schnäppchen-Centers etwas einfallen lassen: Kunden werden nach Auskunft Jägers auf den Einzelhandel in der nahen Stadt aufmerksam gemacht, falls das Gesuchte im Schnäppchenzentrum nicht zu finden ist. Das lobt Jäger, bleibt aber skeptisch: "Wenn man bei der abgesprochenen Premiumstrategie bleibt, ist das für uns Einzelhändler kein Problem, wenn die Betreiber des Zentrums aber in das mittlere und untere Preissegment gehen, dann kann es für die Wertheimer Händler schwierig werden."
Ganz auszuschließen ist dies wohl nicht, denn jüngst formulierte der Deutschlandchef von Value Retail, John Quinn, ein ehrgeiziges Ziel: Bis Mai sollen etwa 60 Topmarken in Wertheim vertreten sein. Ortsansässige Einzelhändler sind nach wie vor in Sorge, daß aus dem Schnäppchen-Center schließlich ein ganz gewöhnliches Einkaufszentrum wird, falls das Outlet-Konzept doch nicht so funktioniert. Nur den Metzger muß das nicht sorgen. Seinen heißen fränkischen Leberkäs' und andere Hausmacher-Spezialitäten wird er wohl weiterhin im Schnäppchendorf oder in einem Einkaufszentrum so gut loswerden wie in seinem Stammhaus in der Wertheimer Innenstadt. Jochen Remmert