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Audits in Handwerksbetrieben : Große Prüfung fürs Betriebsklima

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Geprüft und zertifiziert: Hildebrand-Bau-Geschäftsführer Frank Hildebrand (links), Projektleiterin Michaela Beppler-Alt (rechts) und Beraterin Elisabeth Wissler (Mitte). Bild: Frank Röth

Großunternehmen durchlaufen gern sogenannte Audits, um sich danach mit Zertifikaten als guter Arbeitgeber zu schmücken. Auch für Handwerksbetriebe kann das interessant sein, zum Beispiel für das Butzbacher Familienunternehmen Hildebrand-Bau.

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          Die Zeiten, als die Ansage „Das haben wir immer schon so gemacht“ noch wirkte, sind selbst in alteingesessenen Unternehmen vorbei. Das Butzbacher Bauunternehmen Hildebrand – Familienbetrieb in der fünften Generation – stellt sich vielmehr die Frage: „Wie machen wir es künftig?“ und bewirbt sich als erster hessischer Handwerksbetrieb um ein Zertifikat, das ihm eine „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ bescheinigt. Damit würden die Butzbacher gleichziehen mit dem Münchner Flughafen und mehreren Konzernen, die sich bereits haben zertifizieren lassen.

          Gut ein Jahr lang wird dafür in der Firma so gut wie alles hinterfragt: Arbeitsabläufe, Kommunikationswege, das Verhältnis zwischen Chef und Azubi. Unterstützung erhält sie dabei von der vom Bundesarbeitsministerium ins Leben gerufenen „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA). Deren Audit „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ unterstützt Betriebe, Stiftungen, Vereine und die öffentliche Verwaltung, damit sie Schritt halten mit den aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und individuell zugeschnittene Konzepte für sich als Arbeitgeber finden. Dabei konzentrieren sich die Beteiligten auf vier personalpolitische Handlungsfelder: Führung, Chancengleichheit und Diversität, Gesundheit sowie Wissen und Kompetenz.

          So ein Audit kann auch Spaß machen

          Ausgangspunkt war auch bei Hildebrand-Bau eine anonymisierte Mitarbeiterbefragung, um Schwachstellen und Kritikpunkte zu identifizieren. Anschließend wurde eine Projektgruppe gebildet, die die gesamte Belegschaft repräsentiert – bei Hildebrand sind die Geschäftsführung, Büro-Mitarbeiterinnen, Poliere, Facharbeiter und Auszubildende vertreten. Diese Gruppe erarbeitet einzelne Maßnahmen und begleitet deren Umsetzung.

          Geschäftsführer Frank Hildebrand, der die Baufirma mit rund 40 Beschäftigten in fünfter Generation führt, sagt, der gesamte Ablauf mache ihm „richtig Spaß“. Warum er das Audit angegangen ist? Er führt ein Bündel von Argumenten an. „Als familiengeführtes Unternehmen ist mir das Betriebsklima äußerst wichtig“, sagt er. Zudem falle es später vielleicht leichter, Fachkräfte zu gewinnen. Da das Projekt vom Bund gefördert und zertifiziert werde, sei es seriös. „Und der Preis ist fair.“ Knapp 7000 Euro und etliche Arbeitsstunden kostet einen Betrieb von Hildebrands Größe die Teilnahme.

          „Es geht immer darum, besser zu werden“, sagt Elisabeth Wissler, eine von rund 70 autorisierten Prozessbegleitern in Deutschland. Sie überprüft, ob die vereinbarten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, und erstellt Berichte für den Steuerkreis, der über die Vergabe der Auszeichnung entscheidet. Die Umsetzung liegt bei der Firma selbst. Für Beratung können die Prozessbegleiter extra gebucht werden. Den Einwand, ein solches Audit diene in erster Linie der Maximierung der Arbeitsleistung, weist Wissler zurück. Die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ sei ein Bündnis aus Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Kommunen und dem Arbeitsministerium. „Die Gewerkschaften würden sicherlich Einspruch einlegen gegen Unternehmen, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen“, sagt sie. Teilnehmen können nur Unternehmen, die vorher vom Steuerkreis geprüft wurden.

          Kleine Dinge bringen große Veränderungen

          Ein halbes Jahr hat es im Bauunternehmen Hildebrand gedauert, den Einstiegsprozess des Audits zu durchlaufen, eineinhalb Jahre verbleiben, um vereinbarte Veränderungen in die Praxis umzusetzen. Ende 2019 sollte Hildebrand die Auszeichnung aus den Händen des Bundesarbeitsministers in Berlin erhalten. Erste Ergebnisse sind schon jetzt erkennbar. „Es hat ein Umdenken stattgefunden“, meint die firmeneigene Projektleiterin Michaela Beppler-Alt. „Heute reden Leute miteinander, die früher kein Wort miteinander gewechselt haben, zum Beispiel ein Azubi mit dem Geschäftsführer.“ Elisabeth Wissler nickt. „Oft sind es die kleinen Dinge, die die Kommunikation und damit die Unternehmenskultur verändern.“

          Beim Thema Gesundheit hat Hildebrand bei der Mitarbeiterbefragung außergewöhnlich gut abgeschnitten. Arbeitssicherheit, Ausstattung der Arbeitsplätze – alles top. Als gesundheitserhaltende Maßnahme übernimmt die Firma neuerdings 75 Prozent eines Fitnessstudiobeitrags. Dieses Angebot nutzen rund ein Drittel der Beschäftigten im Büro und jeder fünfte Bauarbeiter.

          Ein Hauptaugenmerk liegt in dem schon 1860 gegründeten Bauunternehmen auf dem Thema Wissen. Die diesbezügliche Projektgruppe arbeitete einen Katalog mit Fortbildungsmaßnahmen aus und legte Regeln für die Wissensweitergabe fest, die inzwischen auf Praktikabilität überprüft werden. Außerdem wurde ein Ausbildungsbeauftragter ernannt, der nun vor allem Bindeglied ist zwischen den Auszubildenden und den Polieren. „Das ist ein hochmotivierter junger Mann“, berichtet Beppler-Alt.

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