Trans-Identität : Fremd im eigenen Körper
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Spiegel der Seele: Ein biologischer Mann nimmt sich als Frau wahr. Nicht immer ist ein medizinischer Eingriff die beste Lösung. Bild: Picture-Alliance
Menschen mit Trans-Identität führen oft jahrelang ein Doppelleben. Doch auch ein Coming-out macht ihr Leben nicht immer leichter. Umso wichtiger ist wirksame Selbsthilfe.
Minirock, ein enges Top, langes blondes Haar und noch längere Beine. Mit Highheels bringt Carina es auf 1,90 Meter. Sie fällt auf. Der Kellner in dem Frankfurter Café ist denn auch gleich zur Stelle, nachdem sie sich gesetzt hat. Die 53 Jahre alte Frau wirkt selbstsicher, extrovertiert. „Meine Frankfurter Arbeitskollegen kannten mich über 20 Jahre als Kerl mit Bürstenschnitt“, sagt sie und lacht. Auch Carinas Ehefrau wähnte sich Jahrzehnte mit dem Mann verheiratet, den sie in den neunziger Jahren kennen- und lieben gelernt hatte. Bis sie Strumpfhosen fand und die Pumps, die Carina im Keller versteckt hatte. Sie bezeichnet sich als Transfrau: „Ich wurde mit einem weiblichen Gehirn im Körper eines Mannes geboren.“
„Schon in der Grundschule wusste ich, dass ich kein Junge bin“, erzählt Carina. Sie interessierte sich mehr für Puppen als für Fußball. Die Schulzeit war die Hölle. „Ich wurde gemobbt.“ Die Eltern wollten nichts wahrnehmen, selbst als die Mutter entdeckte, dass ihr Sohn heimlich ihre Kleider und Schuhe getragen hatte. Ein erstes Coming-out erlebte Carina in Berlin nach der Lehre, als sie abends in der Stadt in Frauenkleidern ausging. In einer Bar lernte sie einen Mann kennen. „Doch ich habe einen Schreck über mich gekriegt und bin abgehauen“, erinnert sie sich.
„Heute bin ich ausgeglichener“
Rund 40 Jahre lang hat sie gelitten und geschwiegen. Sie war bei der Bundeswehr, heiratete, zog mit ihrer Ehefrau vier Kinder groß, davon drei gemeinsame. „Ich habe einen auf Macho gemacht, war cholerisch, habe viel getrunken. Ich war einfach unglücklich.“ Eine aggressive Reaktion auf das Weibliche in ihrem Männerkörper. Dann kam der Zusammenbruch. Elf Wochen verbrachte sie in einer psychosomatischen Klinik. „Es ging nichts mehr. Ich dachte nur, entweder Suizid oder Outen.“ Carina entschied sich für das Coming-out. „Ich hatte furchtbare Angst, meine Familie zu verlieren. Doch ich wollte endlich die Person sein, die ich immer war - eine Frau.“
Das war vor drei Jahren. Heute geht es ihr gut. Sie lebt und kleidet sich, wie sie sich fühlt - als Frau, auch am Arbeitsplatz. Ihre Partnerin hat zu ihr gehalten, ist bei ihr geblieben, und auch zwei ihrer vier Kinder akzeptieren die Entscheidung. Ein Sohn und eine Tochter haben keinen Kontakt mehr, „aber das liegt auch daran, dass ich vorher so ein Ekel war“, vermutet Carina. Sie ist glücklich, dass ihre Ehe nicht zerbrach. „Heute bin ich ausgeglichener. Meine Frau und ich verstehen uns, wir haben eine gute Partnerschaft.“ Allerdings: Küssen oder andere Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, das möchte ihre Ehefrau nicht.
Eigene Identität oft nur im Privatleben
Carina pendelt täglich nach Frankfurt. Sie und ihre Familie leben in einem Dorf, vermutlich hat jeder im Ort den Wandel mitbekommen. Keine einfache Situation für alle Beteiligten. An ihrem Arbeitsplatz in Frankfurt sind viele Kollegen aufgeschlossen, doch ganz ohne Stress läuft es nicht ab. Den Kontakt mit Kunden, die sie als Mann kannten, meidet Carina, und sie ließ sich in eine andere Abteilung versetzen.