Branche im Strukturwandel : Kleine Bäcker beugen sich den Großen
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Wird von immer weniger Bäckereien in Hessen gebacken: das täglich´ Brot Bild: dpa
Die Lage für viele Bäcker in Hessen spitzt sich zu. Kleine Betriebe müssen angesichts der Konkurrenz von großen Ketten und Discountern aufgeben. Wie man sich vom kleinen Betrieb zu einem beachtlichen Unternehmen entwickelt, beweist indes eine Bäckerei aus der Rhön.
In immer mehr hessischen Backstuben geht der Ofen aus. „Wir erleben einen rapiden Rückgang und verlieren jedes Jahr etwa fünf Prozent der Bäckereien in Hessen“, sagte der Geschäftsführer des Bäckerinnungsverbands Hessen, Stefan Körber. Die Zahl der Bäckereien im Land habe sich in 15 Jahren mehr als halbiert. Waren es im Jahr 2000 noch 1275 Betriebe, sind es zu Jahresbeginn nur noch 539 gewesen, wie Körber sagte.
Wegen des anhaltenden Strukturwandels in der Branche mit Konzentrationsprozessen gehe zwar die Zahl der Betriebe zurück. Die Zahl der Verkaufsstellen - etwa 3000 - und Beschäftigten, 20.000 Mitarbeiter zählt die Branche, bleibe aber nahezu konstant in Hessen.
„Marktanteile haben sich verschoben“
Die vielen kleinen Handwerksbetriebe geraten im Konkurrenzkampf mit Großbäckereien, Ketten und Discountern immer stärker unter Druck. „Die Marktanteile haben sich verschoben“, sagte Körber am Innungssitz in Königstein. Dass kleine Bäcker immer häufiger ihre Geschäfte aufgeben müssen, gehe auf Dauer auch zulasten der Verbraucher. „Da geht Individualität verloren. Die Gefahr sind immer einheitlichere Sortimente.“
Ein Problem für die Bäckereien ist auch der Nachwuchsmangel. Die Zahl der Auszubildenden habe sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Es gebe etliche unbesetzte Lehrstellen, sagte Körber. Dabei könne man als Bäcker weltweit arbeiten. „Deutsche Bäcker genießen einen guten Ruf und bekommen wegen ihrer Qualität überall einen Job“, sagte er.
Das Bäckerwesen habe ein Imageproblem, räumte Körber ein. „Die Bäcker in Deutschland haben Nachwuchssorgen, weil der Job vielen jungen Leuten nicht attraktiv erscheint“, erklärte auch Ulrich Hamm, Fachgebietsleiter für Agrar- und Lebensmittelmarketing bei der Universität Kassel. „Da geht es um die frühen Arbeitszeiten, Arbeitsqualität und die Bezahlung.“
Mit Blick auf das Bäckereien-Sterben sagte Hamm: „Mit Discounter und Großbäckereien können die kleinen Bäcker nicht über den Preis, sondern nur über besondere Qualitäten konkurrieren.“ Das Aus für Bäckereien habe häufig den Grund, dass Kosten und Preise für Produkte nicht mehr in Einklang gebracht werden könnten. „Große Hersteller haben deutliche Kostenvorteile durch große Produktionsstraßen“, erläuterte Hamm.
Zukunftsaussichten „heiter bis wolkig“
„Die Filialisten werden immer größer und die Discounter haben sich mittlerweile auch strategisch gut aufgestellt“, betonte auch Peter-Martin Cox von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Daher seien die Zukunftsaussichten für viele Bäckereien nur „heiter bis wolkig“. Der Druck auf kleine Betriebe steige. „Sie können nur mit Qualität punkten.“
„Dass bei der Mehrzahl deutscher Verbraucher eine „Geiz-ist-geil“-Mentalität herrscht, ist Quatsch“, sagte Lebensmittelmarketing-Experte Hamm. „Verbraucher sind bereit, für Qualität einen deutlich höheren Preis zu bezahlen.“ Betriebe müssten sich stärker am geänderten Verbraucherverhalten orientieren.
„Manche Betriebe haben Schwierigkeiten, sich dem Markt anzupassen“, sagte Manfred Klüber, einer der Geschäftsführer der Bäckerei Pappert aus dem osthessischen Poppenhausen. „Wer verkauft wie vor 20 Jahren und darauf wartet, dass der Kunde von alleine kommt, hat ein Problem. Aber wer tolle Produkte hat und gute Qualität bietet und innovativ ist, der muss sich keine Sorgen machen.“
Der einst kleine Bäcker aus der Rhön, 1928 gegründet, ist rasant gewachsen und hat mittlerweile rund 1000 Mitarbeiter und knapp 90 Geschäfte in Hessen, Bayern und Thüringen. Der Jahresumsatz stieg von 6,1 Millionen im Jahr 2000 auf zuletzt 33,5 Millionen Euro . Vor kurzem verkündete Pappert, weitere vier Millionen Euro zu investieren, um das Betriebsgelände in Poppenhausen zu erweitern.
„Wir haben uns in einen gastronomischen Ganztagesbetrieb entwickelt. Es geht nicht mehr nur darum, morgens Brötchen und abends Brot zu verkaufen, sondern den ganzen Tag präsent zu sein“, erklärte Klüber. „Mit Snacks, Salaten, Kuchen - und richtig gutem Kaffee. Diese Tagesgastronomie macht mittlerweile einen großen Teil unseres Umsatzes aus.“