„Alles im Plan“ : Wasserstoffzüge fahren von Dezember an im Taunus
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Stromer: Dieser Zug fährt mit Wasserstoffantrieb - im Winter kommen solche Bahnen auch im Taunus erstmals zum Einsatz Bild: dpa
27 mit Wasserstoff betriebene Züge will der RMV auf die Schiene setzen. Das soll die größte Flotte dieser Art auf der Welt werden. Die ersten Bahnen kommen im Winter im Taunus erstmals zum Einsatz.
Von Dezember an soll im Taunus die größte mit Wasserstoff betriebene Zugflotte der Welt unterwegs sein. Wenn die durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg verursachten Lieferengpässe den Planern nicht noch einen Strich durch die Rechnung machen, werden mit dem routinemäßigen Fahrplanwechsel 27 schadstofffreie Regionalzüge auf die Reise geschickt – und die bisherigen Dieselzüge ersetzen. Zum Einsatz sollen die Wasserstoffzüge auf den Linien RB 11 (Frankfurt-Höchst–Bad Soden), RB 12 (Frankfurt–Königstein), RB 15 (Frankfurt–Brandoberndorf) und RB 16 (Bad Homburg–Friedberg) kommen.
Der Großauftrag mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro beinhaltet auch die Versorgung der Züge mit Wasserstoff im Industriepark Frankfurt-Höchst. In den vergangenen Monaten sind im Nordteil des Industrieparks Gleise verlegt worden, und es entstand die erste von vier Zapfsäulen zur Betankung der neuen Züge. Erste Tests der Anlage haben bereits stattgefunden. Das Land Hessen fördert den Bau der Schieneninfrastruktur für diese Tankstelle mit rund 2,5 Millionen Euro und investiert in Planung und Bau der Zugbetankungsanlage weitere 800 000 Euro. Die Gesamtkosten für die Anlage inklusive Zusatzbauten belaufen sich nach Angaben von Joachim Kreysing, dem Geschäftsführer der Industriepark-Betreibergesellschaft Infraserv, auf 30 Millionen Euro. Die eine Hälfte davon werde von Bund und Land aufgebracht, die andere von Infraserv.
Ähnlich große Reichweite wie Dieselzüge
Die Wasserstoffzüge des Herstellers Alstom haben statt eines Dieselmotors eine Brennstoffzelle an Bord, mit bis zu 1000 Kilometern aber eine ähnlich große Reichweite wie Dieselzüge. Daher dürfte eine Betankung am Tag ausreichen, die mit etwa 15 Minuten auch nicht länger als die eines Dieselzuges in Anspruch nimmt. Der Wasserstoff wiederum ist ein Nebenprodukt der Produktion im Industriepark Höchst. Rund sieben Tonnen fallen dort täglich an, nur etwa ein Drittel davon kann derzeit wirklich effektiv genutzt werden.
Der in Frankfurt-Höchst entstehende Wasserstoff sei, weil nicht ausschließlich mit Ökostrom erzeugt, zwar noch kein „grüner“ Wasserstoff, räumt Kreysing ein. Dennoch sei dessen nachhaltige Nutzung beim Antrieb von Zügen ein wesentlicher Fortschritt. Als Rückversicherung für den Fall einer möglichen Unterbrechung der alltäglichen Wasserstoffproduktion entsteht in der Nähe der Tankstelle ein Fünf-Megawatt-Elektrolyseur, in dem Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden kann. Die Züge könnten also auch bei einem Produktionsausfall im Industriepark weiterrollen.
Der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen) sprach bei einem Besuch der Baustelle im Industriepark am Mittwoch von einem „Vorzeigeprojekt“ auf dem Weg zur „abgasfreien Mobilität“. Um im Jahr 2045 Klimaneutralität in Hessen zu erreichen, sei ein emissionsfreier Bahnverkehr unabdingbar. Die Umstellung von Diesel- auf Wasserstoffzüge beim RMV sei zwar ein auch auf seiner Seite mit einigen Zweifeln verbundenes Wagnis gewesen, gab Al-Wazir zu. Inzwischen sei er aber überzeugt, dass der Verkehrsverbund auf das richtige Pferd gesetzt habe: „Das klappt alles.“
Der RMV wolle bis 2030 „weg vom Diesel“, sagte dessen Geschäftsführer André Kavai. Die Alternative seien klassische, über eine stromführende Oberleitung betriebene Fahrzeuge, aber mitunter auch batteriebetriebene Einheiten. Mit dem Einsatz der 27 Wasserstoffzüge eröffne sich der Verkehrsverbund eine weitere umweltfreundliche Möglichkeit und eile der Konkurrenz ein großes Stück voraus. Die neuen Wasserstoffzüge seien klimafreundlicher, bequemer und leiser als die alten Dieselzüge, lobte Al-Wazir.
Auf vier Pendlerstrecken im Taunus
In den neuen Personenzügen erzeugt eine Wasserstoff-Brennstoffzelle die elektrische Energie für den Antrieb. Sie gibt lediglich Wasserdampf und Wärme an die Umwelt ab. Die Spitzengeschwindigkeit eines Wasserstoffzuges beträgt 140 Stundenkilometer, er ist je Einheit 45 Meter lang, hat 160 Sitzplätze und bietet Platz für insgesamt 300 Fahrgäste. Die derzeitigen Dieselzüge haben nur 120 Sitzplätze je Einheit. Auf den vier Pendlerstrecken im Taunus wird meist mit zwei gekoppelten Einheiten gefahren.
Den Betrieb des Taunusnetzes wird mit dem Übergang auf Wasserstoffzüge die hundertprozentige Bahntochter Start übernehmen. Bisher fahren die Züge dort unter dem Dach der landeseigenen Hessischen Landesbahn (HLB). Die Deutsche Bahn will bis 2040 klimaneutral sein. Wasserstoff sei eine „Schlüsseltechnologie“, wenn es darum gehe, den Regionalverkehr emissionsfrei zu machen, sagte Jörg Sandvoß, Vorstandsvorsitzender der DB Regio AG.