Amerikanischer General Hodges : „Beurteilen Sie uns nicht nach dem, was der Präsident twittert“
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Generalleutnant Ben Hodges bei der Beförderung eines amerikanischen Offiziers am 14. August 2017. Bild: AP
Ben Hodges führt von Wiesbaden aus das Kommando über mehr als 30.000 amerikanische Soldaten in Europa. Zu Russland, zur Bundeswehr und Donald Trump hat der Drei-Sterne-General eine klare Meinung.
Herr General, Sie sind seit 1980 mehrfach in Deutschland eingesetzt gewesen, seit drei Jahren sind Sie Europa-Kommandeur der Army in Wiesbaden. Nächstes Jahr werden Sie nach 37 Dienstjahren aus der Army ausscheiden. Welche Pläne haben Sie für Ihr ziviles Leben?
Meine Leidenschaft gilt drei Dingen: meiner Familie, dem College-Football-Team der Florida State University und Europa. Und ich würde das alles bei meiner neuen Tätigkeit gerne miteinander verbinden. Ich möchte mich weiterhin intensiv mit Europa, der transatlantischen Allianz und der deutsch-amerikanischen Partnerschaft beschäftigen - und dabei auch deutlich machen, warum die Vereinigten Staaten in Europa präsent sein sollten.
Warum sollten sie?
Aus drei Gründen: Zum einen gibt es die Verpflichtungen des Nato-Vertrags zur gemeinsamen Verteidigung. Außerdem sind Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu einem großen Teil abhängig von der Stabilität und der Sicherheit in Europa. Und drittens haben wir in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, dass wir weltpolitisch nicht alleine handeln können und viel effektiver sind, wenn wir gemeinsam mit anderen Nationen handeln - und viele unserer verlässlichsten Partner sind nun einmal in Europa.
Ist das nach dem Ende des Kalten Krieges in Washington in Vergessenheit geraten? Oder warum hat Amerika seine militärische Präsens so massiv verringert?
Die Nato ist in den vergangenen Jahrzehnten so erfolgreich gewesen, dass es viele Leute inzwischen für selbstverständlich halten, dass wir nicht mehr von potentiellen Feinden direkt bedroht sind - abgesehen vielleicht vom internationalen Terrorismus. Es ist schwieriger als früher, zu erklären, warum wir weiterhin die Fähigkeit zur Abschreckung brauchen. Die Stimmung ist ein bisschen so, als würde ein Autofahrer sagen: Ich habe noch nie einen Unfall gehabt, wozu brauche ich eine Versicherung. Das ist eine sehr gefährliche Logik.
War die Hoffnung auf die sogenannte Friedensdividende eine Illusion?
Ich glaube schon. Als junger Offizier habe ich selbst daran geglaubt. Wir alle waren froh über das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands. Wir sind davon ausgegangen, dass das auch im Osten des Kontinents so gesehen wird und wir die massive militärische Präsenz Amerikas guten Gewissens reduzieren können.
Aus heutiger Sicht ein Fehler.
Aus damaliger Sicht erschien es logisch. Wir alle haben gehofft, dass Russland zu einem verlässlichen Partner wird, und wir alle haben unsere Streitkräfte in Europa massiv reduziert. Jetzt sehen wir allerdings, dass wir unsere militärische Leistungsfähigkeit unbedingt wieder stärken müssen.
Wie ist es zu diesem Umdenken gekommen?
Nun, die erste Warnung hätte die russische Invasion in Georgien im August 2008 sein müssen. Aber nicht alle im Westen haben die Bedeutung dieser Aggression damals erkannt. Das hat in Russland möglicherweise zu der Annahme geführt, man könne auch ungestraft in der Ostukraine intervenieren und die Krim annektieren. Aber das war eine gravierende Fehleinschätzung auf russischer Seite, denn diese massive Aggression war 2014 der entscheidende Weckruf für den Westen. Es war sehr wichtig, dass die 28 Nato-Staaten auf ihrem Gipfel in Wales das russische Vorgehen umgehend verurteilt haben. Vielleicht noch wichtiger aber war die EU, die Sanktionen verhängt hat, um den Russen klarzumachen, dass so etwas nicht akzeptabel ist. Ich glaube, der russische Präsident hat unterschätzt, wie deutlich die Nato und die EU auf die illegale Annektion der Krim reagieren würden.