Regisseurin Sung-Hyung Cho : Lieber Nordkorea als der DFB
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Sie stellt einfache Fragen, provoziert nicht: Filmemacherin Sung-Hyung Cho Bild: Esra Klein
Hessin ist Sung-Hyung Cho schon lange, Deutsche wurde sie auch, um ihr jüngstes Filmprojekt zu verwirklichen: Für „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ hat Cho in Nordkorea gedreht. Jetzt wird der Film uraufgeführt.
Am Anfang des Films liegt er vor ihr im Flugzeug, der neue Pass. „Nationalität: deutsch“ trägt Sung-Hyung Cho in das Einreiseformular ein. Unter ihr zieht eine sattgrüne Berglandschaft vorbei, die Cho so aus früher Kindheit kennt: „In Südkorea sind die Häuser mittlerweile höher als die Berge“, sagt sie im Gespräch. In Nordkorea nicht, weiß sie jetzt.
Dank des dunkelroten Ausweises durfte sie tun, was sie sonst nie geschafft hätte: Sung-Hyung Cho hat, vermutlich als erste gebürtige Südkoreanerin, einen Dokumentarfilm über Nordkorea gedreht. Keinen über Raketentests oder Militärparaden, sondern einen über ganz normale Leute. „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ heißt der gut 100 Minuten lange Film, der jetzt seine Uraufführung beim Lichter Filmfest in Frankfurt erleben wird - und das ist genau so gemeint.
Die Führer und Generäle der Kim-Dynastie tauchen dennoch auf, als Abzeichen, Statuen, Gemälde und, viele, viele Male, in den Sätzen der Leute, mit denen Cho spricht. Genau darum ist es ihr zu tun: Man sieht sie, mit offenen Haaren und in lässiger Kleidung absichtsvoll die Strenge und Lieblichkeit der nordkoreanischen Frauen kontrastierend, im lebhaften Gespräch mit einer jungen Frau, die sich als Offizierin entpuppt, über ihren Militärdienst und ihre Verlobung plaudert. Deren Großmutter, die nette „Tigeroma“, lädt Cho zum Essen ein und schwärmt von Opfern für die Gemeinschaft. Ein Kunstmaler porträtiert im Akkord hübsche Fabrikarbeiterinnen und macht sie noch ein bisschen hübscher, gern wäre er berühmt und bekäme 100 000 Dollar für ein Bild. Auf dem Land berichtet der Kolchosenführer von der Tonne Reis, die jeder Nordkoreaner im Jahr bekomme. „Natürlich stimmt das nicht“, sagt Cho. Aber im Film redet der Mann, und sie ist still.
Sie stellt einfache Fragen, provoziert nicht
In „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ wird sie zur Protagonistin - wie schon in ihrem Debütfilm „Full Metal Village“ (2007). „Ich will das eigentlich nicht. Diesmal war es aber notwendig. Ich dachte: Es gibt so viele Vorurteile über Nordkorea, ohne mich würde niemand das sehen wollen.“ Sie stellt einfache Fragen, provoziert nicht, verkneift sich jedes Lachen, jede Wertung. Das wirkt, zusammen mit den einfühlsamen Kameraaufnahmen und der Musik des Komponisten Peyman Yazdanian.
„Ich empfinde Respekt und Sympathie für die Menschen, die versuchen, ihr Glück zu finden und den harten Alltag zu meistern“, sagt Cho. „Nordkoreaner als Menschen zu zeigen, vielleicht sogar sympathisch, das wollen viele nicht“, hat sie bei den ersten Reaktionen auf ihren Film erfahren - etliche Festivals haben ihn abgelehnt. Sie bemüht sich, „im möglichen Rahmen mehr zu erfahren“. Und sie will andere Bilder eines Landes zeigen, das wir uns meistens in Schwarzweiß vorstellen. „Filme aus Nordkorea sehen immer gleich aus, das Material und die Protagonisten, die Orte sind immer dieselben“, sagt Cho.