Stromtrasse Suedlink : Angst vor „Monstermasten“ in Nordhessen
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Noch versorgen sie das Land mit Strom: Starkstrommasten nahe des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld in Bayern. Bild: dpa
Die Kritik an der Höchstspannungstrasse Suedlink wächst. Die Arbeitsgemeinschaft Nord zweifelt gar ganz am Bedarf der Anlage. Doch CDU und Grüne verteidigen das Projekt.
Während in Südhessen Bürger vornehmlich gegen Windräder auf die Barrikaden gehen, regt sich in Nord- und Osthessen zunehmend auch Widerstand gegen den Bau der Höchstspannungstrasse Suedlink von Norddeutschland nach Bayern. Bürgermeister nordhessischer Kommunen und Vertreter von Bürgerinitiativen haben, ähnlich wie bei Windrädern, Angst vor „Monstermasten“, die das Landschaftsbild beeinträchtigen und dem Tourismus Nachteile bringen. Mit den Suedlink-Leitungen soll vom Jahr 2022 an, wenn das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, Windstrom von Schleswig-Holstein in die verbrauchsstarken Regionen im Süden Deutschlands befördert werden.
In Hessen wird Suedlink die Landkreise Kassel, Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Hersfeld-Rotenburg, Fulda und Main-Kinzig durchschneiden. Netzbetreiber Tennet hatte Mitte Dezember bei der Bundesnetzagentur den Bau der Suedlink-Verbindung beantragt, dabei aber noch keine genaue Trasse festgelegt. Erst in zwei Jahren soll der am besten geeignete, etwa einen Kilometer breite Korridor verbindlich vorgegeben werden, wonach dann der Verlauf der Stromleitungen im Detail fixiert werden soll. Der nordhessische SPD-Landtagsabgeordnete Timon Gremmels hält die Planung für nicht ausreichend transparent und nachvollziehbar. Auch deshalb, nicht nur wegen der für viele kaum nachvollziehbaren Dimensionen, stoße das Projekt vielerorts auf massive Kritik.
CDU und Grüne sehen keine Alternative
Die in der Arbeitsgemeinschaft Nord des Hessischen Städtetages zusammengeschlossenen nordhessischen Bürgermeister halten die 800 Kilometer lange Verbindung von Schleswig-Holstein ins fränkische Grafenrheinfeld gar schlicht für überflüssig. „Wir sehen keine vernünftige Grundlage für die Suedlink-Trasse“, äußerte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, der Bürgermeister der Stadt Eschwege, Alexander Heppe (CDU), bereits vor einigen Monaten. Für eine Umstellung auf regenerativ erzeugten Strom in Deutschland würden keine überregionalen Stromautobahnen benötigt, wenn die Politik stattdessen auf eine „wirtschaftlich tragfähige dezentrale Energieversorgung“ setzte.
Die FDP im Landtag stellt die vor drei Jahren mit ihrer Zustimmung beschlossene Energiewende in Hessen inzwischen grundsätzlich in Frage, fordert, auf den Bau weiterer Windräder zu verzichten, hält neue Nord-Süd-Stromverbindungen aber für erforderlich. Die Linkspartei wiederum ist für den Ausbau der Windkraft, bezweifelt aber, dass die neuen „Mega-Stromtrassen“ nötig sind. Anzustreben sei vielmehr eine dezentrale Energieerzeugung in den Regionen, durch die deutlich weniger Fernleitungen erforderlich wären, argumentiert die Fraktion. Die Zustimmung einer großen Mehrheit der Bürger zur Energiewende dürfe nicht durch unnötige Trassenprojekte gefährdet werden. Die Regierungsparteien CDU und Grüne hingegen lassen im Landtag bisher keinen Zweifel daran aufkommen, dass sowohl der Ausbau der Windkraft als auch neue Höchstspannungsleitungen erforderlich seien. Anders sei die von einer großen Mehrheit gewünschte Energiewende in Deutschland nicht zu realisieren.
Bouffier: „Unbedingt notwendig“
Im Jahr 2013 hatten Bundestag und Bundesrat 36 vordringliche Projekte zur Realisierung der Energiewende beschlossen. Drei Höchstspannungs-Stromtrassen sollen durch Hessen führen, die längste davon ist die Suedlink-Strecke. Am weitesten fortgeschritten ist die Planung für die Trasse des Unternehmens Tennet, die über 230 Kilometer vom niedersächsischen Wahle bei Braunschweig bis ins nordhessische Mecklar nördlich von Bad Hersfeld führen soll. Das dritte Projekt ist eine Trasse namens Ultranet, über die von 2019 an Strom aus den Steinkohlerevieren in Nordrhein-Westfalen ins nordbadische Philippsburg fließen soll. Die 340 Kilometer lange Ultranet-Trasse wird Hessen ungefähr zwischen Limburg und Bensheim durchqueren.
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte im Interview mit dieser Zeitung jüngst gesagt, die Energiewende in Hessen stehe nicht in Frage. Er halte an dem Ziel fest, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2018 auf 25 Prozent zu verdoppeln. „Daran arbeiten wir, und das werden wir auch erreichen.“ Auch die geplanten Höchstspannungsleitungen von Nord- nach Süddeutschland seien gerade für eine sichere Versorgung in Hessen „unbedingt notwendig“. Allerdings äußerte sich Bouffier auch alarmiert über die Proteste gegen neue Windräder und Strommasten. Wenn es nicht gelinge, die Bürger mitzunehmen, drohe die Energiewende zu scheitern. „Klar ist, dass wir unser Gesamtziel nicht gefährden, aber auch die Menschen nicht überfordern dürfen.“