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Suche nach Spender : Kampf gegen die Zeit

Die Hoffnung bleibt: Trotz der schweren Krankheit will Astrid sich den Lebensmut nicht nehmen lassen. Bild: privat

Astrid ist an Leukämie erkrankt. Weil sie deutsch-nigerianischer Abstammung ist, gestaltet sich die Suche nach einem Stammzellenspender besonders kompliziert.

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          Die Zeichentrickfiguren sollen weiße Blutkörperchen darstellen, sehen aber eher aus wie eine Mischung aus Schwein, Raupe und Erdnussflip. Die beiden neun und elf Jahre alten Jungen scheint das nicht zu stören. Denn die Zeichentrickserie erklärt kinderleicht, was für ihre Eltern so schwer in Worte zu fassen war. Mama Astrid hat Leukämie. Eine besonders aggressive Form noch dazu. Was genau das für ihren geschwächten Körper bedeutet, wird in der mittlerweile schon 30 Jahre alten Zeichentrickserie „Es war einmal das Leben“ kindgerecht aufgegriffen, ohne es zu verharmlosen.

          Marie Lisa Kehler
          Stellvertretende Ressortleiterin des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

          Wie es um ihre Mutter steht, haben die Kinder wahrscheinlich längst verstanden. Um den Krebs zu besiegen, braucht Astrid einen passenden Stammzellenspender. Was schon unter normalen Umständen eine Herausforderung ist, gestaltet sich im Fall der 41 Jahre alten Frau besonders kompliziert. Denn die Frankfurterin ist nigerianisch-deutscher Abstammung. Derzeit haben weniger als drei Prozent der weltweit als Spender registrierten Personen einen gemischten ethnischen Hintergrund.

          Suche nach genetischem Zwilling

          Die Chance, innerhalb dieser Gruppe einen genetischen Zwilling zu finden, ist nach Worten von Astrids Mann Florian, der den Familiennamen aus Angst vor rassistischen Anfeindungen nicht in der Zeitung lesen will, äußerst gering. Er versucht deshalb, Menschen mit afrikanisch-europäischen Wurzeln zu motivieren, sich bei der Deutschen Stammzellenspender-Datei zu registrieren. Die Zeit drängt. „Je länger die Suche nach einem Spender dauert, desto schwieriger ist es, den Gedanken an einen möglicherweise schlechten Ausgang wegzuschieben“, sagt er.

          Aufgeben ist für das Paar keine Option. Im Gegenteil. Die beiden wissen, was es bedeutet, sich ins Leben zurückzukämpfen. Seit einem Motorroller-Unfall vor fünf Jahren sitzt Florian im Rollstuhl. Der Unfall habe ihm vor Augen geführt, was im Leben wirklich von Bedeutung sei. Nämlich Zeit für die Familie zu haben. Er kündigte seinen Job als Rechtsanwalt in einer Großkanzlei, wechselte in ein Unternehmen, in dem sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen. „Ich war vorher der typische Wochenend-Vater, nach dem Unfall kam das Umdenken.“ Er habe seine Schwerpunkte neu gesetzt, sagt er. Familie geht vor, die Karriere kann warten. Den Alltag mit Rollstuhl musste sich die Familie hart erarbeiten. Es dauerte mehrere Jahre, bis der Ausnahmezustand einer Art von Normalität wich. Von der ist aktuell wenig übrig. Weil jetzt Mutter Astrid um ihr Leben kämpfen muss – und weil es dem Paar, trotz aller Rationalität, manchmal schwer fällt, nicht die Frage nach dem „Warum“ zu stellen.

          Verschlechterung nach gutem Beginn

          Als im September bei Astrid akute myeloische Leukämie diagnostiziert wurde, waren Florian und seine Frau anfangs nicht bereit, sich mit Statistiken über Heilungschancen zu befassen. Weil dazu immer auch der Gedanke an ein Scheitern der Therapie gehörte. „Wir wollten nicht von vorneherein der Verzweiflung verfallen“, sagt Florian. Außerdem habe eine Stammzellenspende in der ersten Phase der Behandlung gar nicht angestanden. Astrid habe gut auf die Medikamente reagiert und „kleine Etappensiege“ gefeiert. Außerdem seien bei einer routinemäßigen Abfrage zu Beginn der Behandlung gleich zwei mögliche Spender gefunden worden.

          Dann verschlechterten sich Astrids Werte. Diesem Rückschlag sollte ein weiterer folgten. Beide Spender, darunter Astrids Schwester, kamen aus medizinischen Gründen nicht mehr in Frage. Nicht die Erstdiagnose im September, sondern das langsame Begreifen, wie kompliziert die Situation tatsächlich ist, sei „das wahre Schockerlebnis“ gewesen, erinnert sich Florian. Intensiv arbeitet die Familie daran, den abgerissenen Kontakt zur nigerianischen Familie von Astrids Vater wieder aufzunehmen. Unter dem Hashtag #matchmymix versuchen sie weltweit Aufmerksamkeit auf ihren Fall zu lenken, aber auch auf das grundsätzliche Problem, dass nur wenige Spender mit einem gemischten ethnischen Hintergrund registriert sind.

          Weltweite Suche nach Spender

          Am besten geeignet wäre ein Spender, wenn dieser ein genetischer Zwilling seiner Frau wäre, sagt Florian. Gut wäre es, wenn ein Elternteil aus Nigeria stammte, idealerweise aus der Volksgruppe der Igbo, der andere Elternteil aus Europa. In Amerika und England leben nach seiner Recherche besonders viele Menschen, die entsprechende Gewebemerkmale aufweisen. Auch deshalb versucht Florian im Ausland auf den Fall aufmerksam zu machen.

          Der Dreiundvierzigjährige hat seine Arbeitszeit reduziert, um sich um die beiden Söhne, seine Frau und die Kampagne zu kümmern. Er wehrt sich dagegen, der Krankheit die Kontrolle zu überlassen. Das Paar schmiedet weiterhin Pläne. Ein Urlaub im Sommer, Kochen mit Freunden, kleine, bewusste Auszeiten. „Wir müssen versuchen, uns eine gewisse Normalität zu bewahren. Alles andere würde bedeuten, dass wir aufgegeben haben. Und das kommt nicht in Frage.“

          Mehr Informationen zu dem Fall und Erläuterungen zur Registrierung bei der Deutschen Stammzellenspender-Datei finden sich unter www.help-astrid.com.

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