Streit um AKW Biblis : „Hessen muss im Zweifelsfall zahlen“
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Der frühere Bundesumweltminister belastet mit seinen Aussagen die damalige hessische Landesregierung. Bild: dpa
Biblis und kein Ende: Zuletzt schob der frühere Bundesumweltminister Röttgen die Verantwortung für die Biblis-Stilllegung in Richtung Hessen. Nun streitet der Landtag weiter.
Der Streit um die Regressansprüche wegen der rechtswidrigen Schließung des Atomkraftwerks Biblis geht weiter. Die Opposition im Landtag fühlt sich nach der jüngsten Sitzung des Biblis-Untersuchungsausschusses in ihrer Auffassung bestätigt, dass im Zweifelsfall Hessen jene 235 Millionen Euro aufbringen müsse, die der Biblis-Betreiber RWE von Bund und Land als Schadenersatz fordert. Die Befragung des früheren Bundesumweltministers Norbert Röttgen (CDU) habe erbracht, dass es nach der Fukushima-Katastrophe im Frühjahr 2011 keine Weisung des Bundes gegeben habe, die Anlagen in Biblis abzuschalten. Es sei auch keine Weisung angefordert worden, sagt der SPD-Obmann im Ausschuss, Norbert Schmitt. Vielmehr sei laut Röttgen die Eigenständigkeit der Länder in dieser Frage immer völlig klar gewesen.
„Damit verdichtet sich immer mehr die Verantwortung der damaligen CDU/FDP-Landesregierung für die RWE-Schadenersatzklage“, sagt Schmitt, und der FDP-Abgeordnete René Rock sieht das ebenso. Röttgen habe bestätigt, dass der Bund den Ländern nie eine Weisung erteilt habe. Er habe das seiner hessischen Ressortkollegin Lucia Puttrich (CDU) „ausdrücklich und exklusiv“ am Telefon erläutert, sagt Rock. Damit stehe fest, dass Hessen nicht nur für den erheblichen formalen Fehler verantwortlich sei, auf eine Anhörung von RWE zu verzichten. Hessen sei auch schuld am unzureichenden Inhalt der Verfügung.
Wo das Haus Röttgen sich verantworten muss
Die Linkspartei wirft Puttrich vor, den Landtag belogen zu haben. Sie habe noch im März 2013 im Umweltausschuss behauptet, es habe eine Weisung gegeben, obwohl sie offenbar längst von Röttgen persönlich darüber informiert gewesen sei, dass von einer Weisung des Bundes an Hessen keine Rede sein könne, kritisiert die Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler.
CDU und Grüne fühlen sich hingegen darin bestätigt, dass der Bund für Schadenersatzforderungen zuständig ist. „Hessen hat im Auftrag des Bundes gehandelt“, konstatiert der CDU-Obmann im Ausschuss, Holger Bellino. Auch wenn aus Berlin keine formale Weisung gekommen sei, habe Hessen nach der schriftlichen Vorgabe des Bundesumweltministeriums gar nicht anders handeln können, als diese im Wortlaut zu verwirklichen. Da das Haus Röttgens an alle betroffenen Bundesländer eine „falsche Rechtsgrundlage“ zur sofortigen Abschaltung der sieben ältesten Kernkraftwerke geschickt habe, könne sich der Bund nicht aus seiner Verantwortung stehlen.
Das Bundesumweltministerium habe laut Röttgen die Rechtsauffassung entwickelt, auf deren Basis das Moratorium habe umgesetzt werden sollen, meint der Grünen-Abgeordnete Frank Kaufmann. Auch eine Begründung, warum die gewählte Rechtsgrundlage die richtige sei, habe das Berliner Ministerium erarbeitet. Die Bundesregierung habe eindeutig ein einheitliches Vorgehen der Länder bei der Stilllegung der Atommeiler zum Ziel gehabt, auch wenn Röttgen es, nach seinen Angaben aus politischen Gründen, abgelehnt habe, eine formelle Weisung zu erteilen. „Der Bund gab die Entscheidung in der Sache vor, lieferte die rechtliche Begründung mit und gab Hinweise für den Verwaltungsvollzug der Länder“, bilanziert Kaufmann. „Diese hatten praktisch keinen Handlungsspielraum mehr.“