Stadtmuseum Wiesbaden : Ein kulturpolitisches Kunststück
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Luftnummer: Für das gescheiterte Stadtmuseum sollte RCC ein Kommunikationskonzept erarbeiten, doch Leistungen wurden nicht dokumentiert. Bild: dpa
Das geplante Wiesbadener Stadtmuseum wird wohl nicht noch einmal am Geld scheitern - denn sonst wäre der auch der Koalitionsfrieden in Wiesbaden am Ende.
Wenn er nach dem geplanten Stadtmuseum gefragt wird, antwortet der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD): „Wir waren noch nie so nah dran.“ Tatsächlich hat der bekannte deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn jetzt einen Plan präsentiert, der offensichtlich die Gnade des überaus kritischen Publikums in der Landeshauptstadt findet. Aber es gab in der Vergangenheit schon einmal einen Entwurf für ein kommunales Museum. Sogar ein leibhaftiger Gründungsdirektor wurde eingestellt. Doch der zog vor einem Jahr entnervt von dannen, weil sich der ihm für 2008 versprochene Baubeginn noch immer nicht abzeichnete.
Dabei gehörte ein der eigenen Geschichte und Identität gewidmetes Museum in der Vergangenheit wie selbstverständlich zum kulturellen Angebot der Stadt. So öffnete im Jahr 1920 an der Ecke von Rheinstraße und Friedrich-Ebert-Allee ein prachtvoller Bau mit drei Flügeln seine Tore. Doch er wurde der Kommune zu teuer. 1973 schenkte sie das Haus dem Land Hessen, um jährlich eine Million Mark an Betriebskosten zu sparen.
2009 wurden Baupläne zum ersten Mal auf Eis gelegt
Ein Vierteljahrhundert später begannen die ersten Versuche, die historische Fehlentscheidung zu korrigieren. Die Stadt kaufte ein Grundstück an der unteren Wilhelmstraße, in der unmittelbaren Nachbarschaft des Landesmuseums. 19,5 Millionen Euro wollte sie sich das Projekt nun kosten lassen. Das Land versprach einen Zuschuss von fünf Millionen.
Unter Gerichs Vorgänger Helmut Müller (CDU) scheiterte das Projekt abermals am Geld. „Von Januar 2009 an kamen systematisch Mehrkosten aus allen Ecken“, klagte, ziemlich verzweifelt, die Kulturdezernentin der damaligen Jamaika-Koalition Rita Thies (Die Grünen). Mit Baukosten von 34 Millionen Euro überstieg ihre Kalkulation das von den Stadtverordneten einmütig festgelegte Limit um zehn Millionen. Das Jamaika-Bündnis, das schon seinem Ende entgegenging, stellte das Vorhaben zurück.
Stadt will das Museum mieten
Die große Koalition hat ihm nun eine neue Chance eröffnet. Sie beschloss im Dezember 2012 ein Junktim, das die Errichtung des von der CDU gewünschten Museums mit dem von der SPD angestrebten Neubau der Carl-von-Ossietzky-Schule verknüpft. Um das Oberstufengymnasium zu finanzieren, wurde das für das Museum vorgesehene Grundstück an der unteren Wilhelmstraße für 14,5 Millionen Euro an den Frankfurter Projektentwickler OFB verkauft. Die Helaba-Tochter will dort nach Jahns Plänen das Museum bauen und es an die Stadt vermieten.
Auf knapp zwei Millionen Euro im Jahr könnte sich der Zins belaufen. Hinzu kommt eine Summe in derselben Größenordnung für die laufenden Betriebskosten. Nach 30 Jahren kann die Kommune die Immobilie für einen einstelligen Millionenbetrag kaufen. In der Stadt haben diese Beträge eine Debatte ausgelöst. Sie speist sich aus einem Kostenbewusstsein, das sich alle Jahre wieder ausschließlich gegen das Museum richtet.
Grünen votieren für das Museum
So wurde beispielsweise jahrelang heftig über den Standort der Rhein-Main-Hallen gestritten. Dass ihr Neubau stolze 170 Millionen Euro verschlingt, wird achselzuckend zur Kenntnis genommen. Der Wiesbadener kann großzügig sein, solange er an ein Geschäft glaubt, das sich rentiert. Ein Museum passt jedenfalls auf den ersten Blick nicht in diese rein ökonomische Denkweise. Deren Verfechter beeindruckt es nicht, dass gut gemachte Ausstellungen heutzutage von zum Teil weitgereisten Besuchern geradezu überrannt werden.
Fällt das Museum nun also zum dritten Mal einer vordergründigen Kostendebatte zum Opfer? Die Antwort hängt vom Koalitionspartner der CDU ab. Der sozialdemokratische Fraktionschef Christoph Manjura beklagt, dass Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz (CDU) die finanziellen Fragen bisher nicht plausibel beantwortet habe. Doch dieses Versäumnis lässt sich relativ rasch nachholen. Ernster zu nehmen sind die Kräfte in der SPD, die das ganze Projekt nach wie vor prinzipiell ablehnen.
Sie könnten es aber nur scheitern lassen, wenn sich dafür auch die Grünen hergäben. Deren Fraktion votiert allerdings für das Museum. Außerdem würde dessen Scheitern wohl auch das Ende der großen Koalition bedeuten. Die Bildung einer anderen Mehrheit ist aber nicht realistisch. So bleibt die SPD an das Geschäft gebunden, das sie mit der CDU eingegangen ist.
Rathauschef könnte sich mit Museum profilieren
Dessen negative Kehrseite lautet: Verhindern die Sozialdemokraten das Stadtmuseum, bekommen sie auch den Neubau der Schule nicht. Ihn hatte Gerich aber versprochen, als er sich zu Beginn des Jahres 2013 erfolgreich um das Amt des Oberbürgermeisters bewarb. Nicht nur die sozialdemokratische Klientel würde auf die Barrikaden gehen, wenn er sein Wahlversprechen nicht hielte.
Ein damit verbundenes Scheitern des Stadtmuseums würden ihm auch viele bürgerliche Wähler nicht verzeihen. Umgekehrt kann der Rathauschef sich mit der Realisierung des Vorhabens persönlich profilieren. Wenn unter ihm endlich das Museum gebaut würde, das sein kulturell versierter und ambitionierter Vorgänger nicht verwirklichen konnte, wäre das ein beachtlicher Prestigegewinn auf einem Gebiet, das bislang nicht als die besondere Stärke des 39Jahre alten Sozialdemokraten gilt.
So spricht alles dafür, dass Gerich das neue Museum gegen Ende des Jahres 2016 eröffnet. Kaum jemand wird sich dann noch daran erinnern, dass es der CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz war, der die SPD Ende 2012 mit einem geradezu genialen Coup in das Projekt eingebunden hat. Stattdessen wird Gerich erklären, wie wichtig es für die Bürgerschaft sei, sich ihrer historischen und kulturellen Identität zu vergewissern. Er wird auf das Leitmotiv seiner ersten Amtszeit zu sprechen kommen und konstatieren, dass das Stadtmuseum das Wir-Gefühl der Wiesbadener nachhaltig stärke. Wer wollte das bestreiten?