Sprechtrainerin als Beruf : Hier bekommt die Stimme Gewicht
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„Wenn die Stimme dünn ist, hat man ein dickes Problem“, sagt Heidi Puffer. Wer zu der Sprechtrainerin kommt, der muss neu lernen, was er schon lange glaubt zu können: sprechen – und atmen.
Heidi Puffer ist auf der Suche. Das, was sie zu finden hofft, ist nicht zu sehen, wohl aber zu hören. Zumindest eingeschränkt. Puffer ist Sprechtrainerin. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Stimmen wiederzufinden und neu zu entdecken. „Manchmal ist eine Stimme einfach nur verschüttet“, sagt sie. Dann beginnt sie zu graben.
Sprechtraining nennt sie das; harte Arbeit ist es für die Menschen, die zu ihr in die Praxis an der Berger Straße kommen. Wer bei ihr klingelt, wurde oft vom Arbeitgeber geschickt, mit dem Auftrag, am eigenen Auftreten zu arbeiten. Oft sind es Männer und Frauen in den Dreißigern, die gerade dabei sind, die Karriereleiter hochzuklettern. Leitende Angestellte, die Entscheidungen treffen, präsentieren, Arbeit delegieren müssen. Hoch kompetente Menschen, die jedoch mit dem, was sie zu sagen haben, wenig Gehör finden. Weil sie zu leise oder zu monoton, zu tief oder zu hoch sprechen, weil ihre Art zu betonen vom Inhalt ablenkt. „Das, was sie sagen, reicht in diesen Berufen oft nicht mehr aus“, erklärt Puffer. „Es geht um das ,wie‘.“
Das Zwerchfell freisingen
Diese Menschen sollen mit ihrer Hilfe lernen, mitzureißen und zu begeistern, sie sollen mit ihrem Auftreten Autorität vermitteln, ohne einzuschüchtern, sollen Kompetenz ausstrahlen, ohne überheblich zu wirken. „Aber wenn die Stimme dünn ist, hat man ein dickes Problem“, erklärt die Sprechtrainerin. In der Politik und in der Wirtschaft habe man das erkannt. Außer Nachwuchskräften aus großen Unternehmen gehören deshalb auch Landespolitiker zu ihren Kunden. Wer genau sich in ihrer Praxis das Zwerchfell freisingt, Atemübungen macht und lernt, die Lippen zu lockern, will und darf Heidi Puffer nicht verraten.
„Ein Chef mit einer Fistelstimme kommt nicht gut an“, sagt sie. Eine zittrige Stimme könne auf Unsicherheit hindeuten, eine dauerhaft zu tief eingesetzte Stimme als arrogant wahrgenommen werden, eine zu hohe Stimme könne die Person niedlich, nicht aber kompetent erscheinen lassen.
Den Kindern ein gutes Beispiel geben
Zu Heidi Puffers Kunden zählen auch Lehrer, deren Stimme oft vom vielen Sprechen überlastet sei. Sie wollen lernen, sie zu schonen, ohne dabei Autorität einzubüßen. Puffer fordert: „Sprecherziehung gehört in die Lehrerausbildung“ – auch, damit die Pädagogen den Kindern ein gutes Beispiel geben könnten.
Die Sprechtrainerin will ihre Kunden ermutigen, ihre volle Klangkraft auszuschöpfen. „Die Stimme hat einen riesigen Umfang von drei Oktaven. Sie kann hoch gehen, aber sie hat auch im Brustbereich einen tiefen Anteil.“ Anders als viele vermuteten, sei der Klang der Stimme nicht angeboren, sondern angewöhnt, erklärt Puffer. Und Gewohnheiten kann man ändern.
Den Weg durch den Kehlkopf finden
Nach diesem Prinzip arbeitet die Trainerin und beginnt deshalb immer mit einer Sprechanalyse. Wo liegt das Problem? Falsche Atmung? Fehlspannungen? Aufregung? Und sie fragt nach: Wann ist das Gefühl, dass die Stimme zittert, kippt, dass die Worte höher gesprochen werden als beabsichtigt, dass die Sätze tiefer poltern als gewollt, zum ersten Mal aufgetreten? In der Schule, in der viele zum ersten Mal die Erfahrung gemacht haben, reden zu müssen, ohne sich dabei wohl zu fühlen? Bei einer Präsentation? Als alle Augenpaare auf einen gerichtet waren, der Körper sich verspannt hat, die Stimme nur noch mit Mühe ihren Weg durch den Kehlkopf gefunden hat?
Puffer bittet ihre Besucher erst gar nicht, auf einem der Stühle in ihrer Praxis Platz zu nehmen. Bei ihr wird im Stehen gearbeitet. „Die Stimme ist zu einhundert Prozent aus Atem gemacht“ – und der muss entweichen können. „Eine gute Atemtechnik ist das A und O“, sagt sie und rät, Präsentationen immer im Stehen zu halten – damit das Zwerchfell arbeiten kann.
Ein Spiegel der Seele
Ihre Überzeugung: Die Stimme ist ein Spiegel der Seele. Wer überspannt ist, kann auch eine gewisse Spannung in der Stimme nicht verbergen, wer energielos ist, dessen Betonung ist es ebenfalls. „Die Stimme ist mit Emotionen verknüpft, die Sprache mit dem Denken. Wenn wir reden, sollte beides wirken“, sagt Puffer.
Sie spricht deutlich. Mal hoch, mal tief, mal leiser, mal lauter, mal schneller, mal langsamer. Der 60 Jahre alten Frau zuzuhören, fällt leicht. Weil man sich unbemerkt konzentrieren muss, ohne dass es anstrengt, weil es Spaß macht, ihrem Tempo zu folgen, ohne dass es überfordert. „Das ist meine Berufsstimme. Zu Hause kommt es schon vor, dass meine Artikulation schnoddriger ist“, gesteht sie.
Puffer setzt ihre eigene Stimme bewusst ein. Viele ihrer Kunden tun sich damit schwer, weil sie Zeit ihres Lebens ihre Stimme als unveränderbaren Teil des Erscheinungsbildes angesehen haben. Ähnlich wie Hautfarbe, Schuhgröße, Nasenform. Und ja, Puffer muss ihren Kunden zum Teil recht geben. Die Stimme schafft Identität – sie ist ein Wiedererkennungsmerkmal, das zu ändern vielen befremdlich vorkommt. Aber die Trainerin verlangt gar nicht, dass ihre Klienten ihre Stimme oder ihre Sprechgewohnheiten komplett verändern, sie sollen sie nur erweitern. „Damit die Vielfältigkeit der Gedanken über die Stimme zum Ausdruck gebracht wird.“
Sie hört sich so schön einfach an, die Sache mit den Entspannungs- und Atemtechniken, die Aufforderung, Gewohnheiten zu ändern. Ist es aber nicht. Weil Neues auch Angst machen kann, weil mit einer anderen Art zu sprechen auch andere Erwartungen an die Person geknüpft werden können. „Manchmal ist es wie ein trauriges Erkennen, dass man mit der Verschmälerung der Stimme selbst auch seine Identität verschmälert hat“, sagt Puffer. Aber wann wird denn nun eine Stimme als angenehm empfunden? Die Trainerin überlegt. „Wenn das Auftreten einer Person und ihre Stimme eine Einheit bilden, dann ist es stimmig.“
Ein Video zu diesem Thema steht unter www.faz.net/stimme.