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Sport und Wettanbieter : Das Spiel mit dem Glück

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Der Schwarzmarkt soll blütenweiß werden: Von den allermeisten Sportwetten profitiert der Sport bis heute nicht.

Der Schwarzmarkt soll blütenweiß werden: Von den allermeisten Sportwetten profitiert der Sport bis heute nicht. Bild: dapd

Es geht um viele Millionen: Sport und Wettanbieter sind zwei Partner mit einem komplizierten Verhältnis. Hessische Vereine stecken in einer Sonderrolle.

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          Zumindest in einer Hinsicht konnten sich die Fußballspieler des SKV Rot-Weiß Darmstadt in der Vergangenheit wie ihre Kollegen aus dem Profibereich fühlen: Zu ihren Auswärtspartien in der Hessenliga, Deutschlands fünfter Spielklasse, reisten sie mit ihrem Mannschaftsbus. Zwar nicht in einem jener luxuriösen Gefährte, die ihre Kollegen aus der Bundesliga befördern, aber immerhin in einem Reisebus, der ab und an auch noch Platz für die Fans der Rot-Weißen vorsah. Das ist vorbei. Jetzt tingeln die Darmstädter wieder in ihren privaten Autos oder Kleinbussen durch das Land, weil sie ein Loch von mehr als 8000 Euro in ihrem Etat stopfen müssen. Jene Summe bekam der Verein in der vergangenen Spielzeit noch von Ligasponsor Lotto Hessen, insgesamt unterstützte die Gesellschaft die 18 Vereine der Hessenliga mit 150 000 Euro. „Traurig und enttäuscht“ war Harry Distelmann, als sich im Sommer abzeichnete, dass die Partnerschaft nicht fortgesetzt wird. Im Herbst wurde daraus Gewissheit. „Die Nachricht hat unsere Fußballabteilung ins Mark getroffen“, sagt der Vorsitzende des Vereins, „seitdem versuchen wir einzusparen, wo es nur geht.“

          Man wolle erst einmal abwarten, wie attraktiv die künftigen Amateurligen nach der 2012 anstehenden Spielklassenreform des Deutschen Fußball-Bundes werden, heißt die offizielle Begründung von Lotto Hessen. 1,3 Millionen Euro gibt das Unternehmen jährlich an Sponsorengeldern für den Sport aus, zu den Partnern zählen die hessischen Vorzeigeteams: unter anderem Eintracht, FSV und 1. FFC Frankfurt (Fußball), MT Melsungen (Handball), die Gießen 46ers sowie die Blue Dolphins Marburg (Basketball). In Zukunft könnte Lotto Hessen noch weitere Partnerschaften schließen, vielleicht auch wieder mit den Amateurvereinen der Fußball-Hessenliga - bedingt durch einen Ende Oktober getroffenen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz: Der neue Glücksspielstaatsvertrag, Anfang 2012 tritt er in Kraft, sieht 20 Lizenzen für Anbieter von Sportwetten vor. Das staatliche Monopol ist damit aufgehoben, Lotto Hessen muss sich künftig mit 19 legal agierenden Mitbewerbern auseinandersetzen. „Wir werden uns so aufstellen, dass unsere Sichtbarkeit erhalten bleibt“, sagt Geschäftsführer Heinz-Georg Sundermann, „und wenn das höhere Ausgaben beim Sponsoring bedeutet, dann muss das eben so sein.“

          „Wchtige Voraussetzungen geschaffen“

          Durch die neue Regelung wird sich vieles ändern; auch das Miteinander von Sport und Glücksspiel - zwei Partnern mit einem seit jeh komplizierten Verhältnis, das aber auf einer einfachen Rechnung beruht: kein Sport, keine Sportwetten. In Zahlen drückt sich diese Abhängigkeit nicht aus. Bis zu 95 Prozent der Sportwetten finden im illegalen Bereich statt und bringen dem Sport selbst keine Einnahmen. Auch auf die Spiele von Rot-Weiß Darmstadt wird gewettet, bei Internet-Anbietern, die ihre Lizenzen in Übersee erworben haben. „Das kriegen wir natürlich mit, davon profitieren wir aber nicht“, bemängelt Distelmann.

          Ausdrücklich dankte Rolf Müller Ministerpräsident Volker Bouffier für sein Engagement bei der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags. „Damit sind wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass die Lotterie- und Wetterträge wieder steigen und dadurch die Finanzierung des organisierten Sports in Hessen zukunftssicherer und stabiler wird“, sagt der Präsident des Landessportbundes Hessen (LSB). Müller erwartet, dass Oddset wieder an Boden gewinnt. Zuletzt kam die Sportwette von Lotto Hessen nicht über einen Marktanteil von zehn Prozent hinaus. Das soll sich ändern: „Wir werden es schaffen, nun ein absolut wettbewerbsfähiges Produkt auf die Beine zu stellen“, sagt Sundermann. Der LSB würde davon profitieren, erhält er doch einen 3,75-prozentigen Anteil an den Umsätzen von Lotto Hessen; ein großer Teil seiner Arbeit wird auf diesem Weg finanziert. Bis zu einem Betrag von 20,117 Millionen Euro kann diese Summe wachsen, in der Realität wurde jene Zahl aufgrund sinkender Lotto-Umsätze jedoch nie erreicht. In einer LSB-Mitteilung war einmal von der „finanziellen Belastbarkeitsgrenze des Sports“ die Rede, Müller klagt: „Der von fast 200.000 Ehrenamtlichen in Hessen getragene Sport braucht Anerkennung, aber er benötigt auch eine angemessene Förderung.“

          Bwin hat bereits einen Sponsorenvertrag mit dem THW Kiel geschlossen

          Diese könnte er künftig auch von privaten Wettanbietern erhalten. „Als Verein kämpft man doch um jeden Euro“, sagt Distelmann. Immerhin konnten die Darmstädter mit den Geldern von Lotto Hessen zwei Monate lang die Personalkosten ihrer Fußballabteilung abdecken, einem neuen Sponsor aus dem privaten Wettbereich wären sie nicht abgeneigt. „Wir würden uns erkundigen, ob rechtlich etwas dagegen spricht. Wenn das nicht der Fall sein sollte, warum nicht?“, sagt Distelmann.

          Bwin, ein Online-Wettanbieter, hat im November bereits einen Sponsorenvertrag mit dem THW Kiel geschlossen. Das aus Österreich stammende Unternehmen, mit einer Lizenz aus Gibraltar ausgestattet, soll dem Handball-Rekordmeister jährlich einen sechsstelligen Betrag zukommen lassen. Freilich handelt es sich hier noch um einen Sonderfall, der durch das liberalisierte Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein ermöglicht wird; der von den anderen Bundesländern entworfene Staatsvertrag ist wesentlich restriktiver. Ist es möglich, dass sich Bwin künftig auch bei hessischen Sportvereinen engagiert? „Jedenfalls dann, wenn Hessen vergleichbare rechtliche Rahmenbedingungen setzen würde“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit - eine Anspielung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurts vom 4. Juni 2009: Bwin darf seither keine Wetten oder sonstigen Glücksspiele aus Hessen annehmen, auf der Bwin-Homepage findet sich im Kleingedruckten ein dezenter Hinweis: Bei einer Wette muss bestätigt werden, „sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme nicht in Hessen aufzuhalten“.

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