„Spirituosenschmied“ Thormann : Mondsüchtiger Gin und Einhornlikör
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„Spirituosenschmied“: Gregor Thormann aus Bensheim sucht nach neuen Gin-Kreationen Bild: Cornelia Sick
Aus 26 Kräutern und Gewürzen destilliert Gregor Thormann bei Vollmond Gin. Auch sonst hat der „Spirituosenschmied“ ziemlich verrückte Sachen auf Lager.
Wer von mondsüchtigem Gin, Bergsträßer Whisky und Einhornlikör spricht, hat entweder schon einen über den Durst getrunken - wie die Maler Gauguin und van Gogh, denen manchmal die „grüne Fee“ im Absinth-Rausch erschien. Oder er unterhält sich gerade mit Destillateurmeister Gregor Thormann über dessen neue Kreationen. „Lunatic“ bedeutet so viel wie „mondsüchtig“ oder „verrückt/wahnsinnig“. Und genau das trifft auf den „Lunatic“-Gin zu, der bei Vollmond destilliert wird. Seit jeher habe der Mensch die Kraft des Mondes und der Gezeiten genutzt. Warum nicht auch beim Gin? Die Idee kam Thormann in einer kalten Vollmondnacht, als er mit zwei Barkeepern über die Herstellung eines Wacholderbrands philosophierte.
Für den „Lunatic“-Gin verwendet er 26 Kräuter und Gewürze, weil die Zahl 26 den Halbmondphasen in einem Jahr entspricht. Zunächst werden Makedonischer Wacholder, Römische Kamille, Tonkabohnen aus Brasilien, Tasmanischer Bergpfeffer, Galgantwurzel, Heppenheimer Brombeerblätter und andere „Botanicals“ abgewogen und 48 Stunden lang in sechzigprozentigem Alkohol eingeweicht, damit sie ihre ätherischen Öle freigeben. Dann wird dieses Mazerat bei Vollmond in den Katakomben des Hotels und Restaurants „Halber Mond“ in Heppenheim destilliert. Die dortige Brennerei nennt Thormann „Spirituosenschmiede“. Am Ende wird der Gin, der es auf 47 Prozent bringt, noch über Mondstein filtriert und mindestens zwei Wochen lang in Tonkrügen im alten Kreuzgewölbekeller des Sekthauses Streit (vormals Hessische Staatsweingüter Bensheim) gelagert, bevor er bei Neumond abgefüllt wird.
In ganz Deutschland vertreten
Von Hamburg über Berlin bis München und Köln: Mittlerweile führen Bars und Läden in ganz Deutschland den „Lunatic“. In der Heimat ist er unter anderem im Sekthaus Streit und bei Edeka in Bensheim sowie im „Bergsträßer Lädche“ und bei Rewe in Heppenheim erhältlich. Der Preis liegt bei etwa 35 Euro für eine Halbliterflasche.
Doch damit ist die Geschichte von Thormann und seinen Ideen noch nicht zu Ende. Denn der 28 Jahre alte, schlaksige Destillateur hat schon mit zwölf Jahren Spirituosen für Verwandte hergestellt. Das muss ihm gefallen haben, denn 2009 entschied er sich für eine Ausbildung bei der ostdeutschen Traditionsbrennerei Echter Nordhäuser, die er als deutschlandweit bester Destillateur beendete. Danach war er Produktionsleiter in Ostfriesland und Brennereileiter in Brandenburg, bevor er 2014 zum „Halben Mond“ kam.
Benannt nach dem Revolutionsjahr
Eigentlich war das nur als Zwischenstation gedacht, weil er schon einen anderen Job in Aussicht hatte. Doch dann verliebte sich Thormann in die Bergstraße und in die Möglichkeiten, die ihm das Investorenpaar Jürgen Streit und Petra Greißl-Streit bot. Von Anfang an ließen sie ihn machen, so etwa bei dem von Frauen geschätzten Cappuccino-Sahnelikör und bei Bränden. Letztere stellte er zunächst aus Bier- und Weinhefe her, inzwischen hat er auch Obstbrände in petto. Voraussichtlich im Februar 2018 wird es erstmals einen Bergsträßer Whisky geben. Der Name steht schon fest: „1848“, benannt nach dem Revolutionsjahr.
Eigentlich sei ein deutscher Whisky nichts Besonderes mehr, sagt Thormann. Es gebe hier inzwischen mehr Destillen als in Schottland. Er selbst schätzt Rum - und ist einer der wenigen, die ihn in Deutschland destillieren. Das trifft sich gut, denn Rum ist nach Whisky und Gin gerade als Szenegetränk sehr angesagt.
Natürlich hat der „Grasbrook“-Rum Thormanns, der kurz unter dem Label „Hepprum“ lief, auch eine Geschichte. Grasbrook war ursprünglich eine sumpfige Insellandschaft bei Hamburg. Sie diente als Viehweide und war als Hinrichtungsplatz vieler Seeräuber, darunter auch Klaus Störtebeker, berüchtigt. Der Kleine Grasbrook ist heute Hafengebiet, der Große Grasbrook heißt inzwischen Hafencity - und von dort kommt die Zuckerrohrmelasse für Thormanns Rum.
Inzwischen will der Brennmeister auch Zigarren herstellen lassen, die zu seinem Lieblingsgetränk passen. Und er lässt weiße Pralinen mit Likör vom Roten Weinbergpfirsich füllen, den es nur an der Mosel und der Hessischen Bergstraße gibt. Außerdem vermarktet er sein Fachwissen über die Internetplattform „MyDays“ auch als Workshops.
Für die „Genusslinie“ der Familie Streit sind Thormann und seine Kollegen Niko Brandner, Önologe vom Sekthaus Streit in Bensheim, in dessen Keller Thormanns Spirituosen lagern, und Ferdinand Siemers, Kellermeister vom „Halben Mond“, auf dessen Zutaten und Tanks Thormann zugreift, ein Glücksgriff. Die drei sind jung und mit Hingabe bei der Sache. „Uns verbindet der Alkohol“, witzeln sie. Demnächst wird aus dem Trio allerdings ein Quartett. Von Juni an will Winzerin Rabea Trautmann, die seit 2016 mit von der Partie ist, eigene Weine anbieten und ein Weingut in Bensheim aufbauen. „Schloss Schönberg“ soll es heißen.