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Landgericht Frankfurt : Gericht hat keine Zeit für Terrorverdächtigen

  • -Aktualisiert am

Keine Kapazitäten: Die geplante Verhandlung gegen einen Terrorverdächtigen findet nicht statt. Bild: dpa

Der Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Syrien-Ausreiser wurde aufgehoben. Die Verhandlung könne aufgrund anderer Terrorverfahren nicht in absehbarer Zeit geführt werden.

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          Das Landgericht Frankfurt hat den Haftbefehl gegen einen Terrorverdächtigen aufgehoben und damit eine Diskussion über Personalmangel in der hessischen Justiz ausgelöst. Der 32 Jahre alte Syrer war schon vor zwei Jahren am Flughafen festgenommen worden. Die Ermittler werfen ihm vor, er habe sich in Syrien auf Seiten des „Islamischen Staats“ an Kämpfen beteiligen wollen. Der Mann war zuvor schon einmal in Syrien gewesen, es ist aber offenbar unklar, was er dort getan hat. In Untersuchungshaft war er nie, er musste sich aber regelmäßig bei der Polizei melden.

          Diese Pflicht entfällt nun, da der Haftbefehl ganz aufgehoben ist. Der Anwalt des Verdächtigen hatte das beantragt, das Landgericht gab dem statt. Wegen anderer Terror-Verfahren sei nicht abzusehen gewesen, wann der Fall zur Verhandlung komme. „Es war deshalb nicht mehr verhältnismäßig, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten“, sagte ein Sprecher.

          Die Anklage bleibt weiterhin bestehen

          Das Landgericht vermeidet es, von Überlastung zu sprechen, jedenfalls offiziell. Das ist aber auch gar nicht nötig. Die einzige Staatsschutzkammer, die es dort gibt, verhandelt derzeit quasi in Vollzeit gegen Halil D., der einen Anschlag auf das Radrennen vom 1.Mai 2015 geplant haben soll. Das Verfahren ist aufwendig und wird noch bis in den Sommer dauern. Es sind weitere Staatsschutzsachen anhängig, und die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit in rund 60 Fällen wegen des sogenannten Terror-Paragrafen 89a. Er bestraft die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. „Wir wünschen uns natürlich mehr Richter, aber in allen Bereichen des Strafrechts“, sagte der Sprecher des Landgerichts.

          Mit der Aufhebung des Haftbefehls hat das Gericht nur Zeit gewonnen. Die Anklage bleibt bestehen, nach Angaben des Justizministeriums hat die Polizei den Verdächtigen weiter im Auge, und irgendwann werde ihm der Prozess gemacht. Allerdings muss sein Verfahren nun nicht mehr bevorzugt behandelt werden. Dieser Grundsatz gilt bei allen Haftsachen, selbst dann, wenn der Haftbefehl ausgesetzt ist, wie er es in diesem Fall war. Weil der Staatsanwaltschaft die Gründe für die Aufhebung nicht ausreichen, hat sie dagegen Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht aber gestern zurückwies.

          Hinter vorgehaltener Hand beschweren sich viele Richter am Landgericht über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Richterin Isabel Jahn sagt Ähnliches öffentlich, als Sprecherin des Hessischen Richterbunds: „Wir kritisieren schon länger, dass die Personaldecke in Hessen zu dünn ist.“ Speziell am Landgericht gebe es schon nach dem berechneten Personalbedarf zu wenige Richter – und zusätzlich seien einige Stellen unbesetzt. Zwar hat das Justizministerium zumindest für die Bearbeitung der Terror-Fälle erst vier neue Stellen geschaffen, zwei davon für Richter. Jahn kritisiert aber, dass keine davon am Landgericht entstanden sei.

          SPD sieht einen Skandal

          Dagegen wurde am Oberlandesgericht Frankfurt Anfang des Jahres ein zweiter Staatsschutzsenat eingerichtet. Dort werden aber nur die großen Terror-Fälle verhandelt, also in der Regel die, in denen der Generalbundesanwalt ermittelt. Die vielen kleineren Fälle der Syrien-Ausreiser bleiben meist bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt, die in Sachen islamistischer Terror für ganz Hessen zuständig ist. Und hier wird in aller Regel beim Landgericht Anklage erhoben. Den Fall, in dem jetzt der Haftbefehl aufgehoben wurde, hatte das Landgericht im Herbst 2015 dem Oberlandesgericht vorgelegt. Die Richter dort lehnten aber eine Übernahme ab.

          Das ist ein Hinweis darauf, dass der Fall zumindest nicht zu den schwerer wiegenden seiner Art zählt. Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag nannte die Aufhebung des Haftbefehls dennoch einen Skandal. Er zeige, dass „der fortlaufende Stellenabbau in der Justiz die öffentliche Sicherheit in Hessen“ gefährde, sagte Heike Hofmann. Bis zum Ende der Legislaturperiode würden 673 Stellen in der Justiz den Sparmaßnahmen der Regierung zum Opfer fallen.

          Hofmanns Fraktion hat eine Sondersitzung des Justizausschusses zu dem Fall beantragt; mit ihr ist in der nächsten Woche zu rechnen. Florian Rentsch, Rechtsexperte der FDP im Landtag, forderte eine schnelle Aufklärung der Angelegenheit. Die hohe Auslastung des Gerichts dürfe angesichts der Schwere des Tatvorwurfs nicht das entscheidende Kriterium für die Aufhebung eines Haftbefehls sein.

          Das Justizministerium hob hervor, dass das Strafverfahren gegen den Beschuldigten weitergehe. Ein Sprecher verwies darauf, dass die Landesregierung mit den vier neuen Stellen schon auf die gestiegene Zahl der Terror-Fälle reagiert habe. „Wir haben die Entwicklung auch weiter im Blick“, sagte er. Zur Frage, warum am Oberlandesgericht und nicht am Landgericht zwei neue Richterstellen geschaffen worden seien, sagte der Sprecher, dass die Landesregierung auf den von den Behörden angemeldeten Bedarf reagiert habe.

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