Schulen in Hessen : Plasma und UV-Licht gegen Viren
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Fenster auf, Viren raus: Lüften steht an Hessens Schulen fest auf dem Stundenplan (Symbolbild). Heimische Unternehmen bieten neue Möglichkeiten, für saubere Luft im Klassensaal. Bild: dpa
Wie bringt man die Schulen während Corona durch die kalte Jahreszeit? Heimische Firmen in Hanau und im Main-Kinzig-Kreis bieten unterschiedliche Möglichkeiten. Doch für den großflächigen Einsatz wird noch Zeit gebraucht.
Mit einem Luftfiltersystem der Firma Woco soll die Virenbelastung in Schulen des Main-Kinzig-Kreises gesenkt werden. Das weltweit agierende Familienunternehmen hat seinen Hauptsitz in Bad Soden-Salmünster, wo der Automobilzulieferer schon Luftfilter für Automotoren entworfen und gebaut hat. In den vergangenen drei Jahren entwickelte Woco zudem einen Prototypen, der nach den Erläuterungen der Main-Kinzig-Verwaltung auf der Basis von Plasmatechnologie arbeitet. Er soll fähig sein, kleinste Partikel aus der Luft von Räumen und Fahrzeugen zu filtern und unschädlich zu machen. Diese Technik soll nun im Main-Kinzig-Kreis eingesetzt werden, um die weitere Ausbreitung der Corona-Infektionen einzudämmen. Eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kreis und Woco sieht vor, den im Woco-Labor entwickelten Prototypen „Wairify“ an ausgewählten Schulen zu testen. Der Kreis will zudem prüfen, wie er das Unternehmen bei dem Forschungsprojekt unterstützen kann, hieß es nach einem Besuch von Vertretern des Kreises in der Firmenzentrale.

Korrespondentin der Rhein-Main-Zeitung für den Main-Kinzig-Kreis.
Nach Angaben von Michael Dietzen, Leiter für Unternehmensplanung und Strategie bei Woco, arbeitet der Prototyp anders als Luftfilteranlagen nicht mit sogenannten Hepa-Filtern, die regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Er nutzt den Angaben zufolge ein Niedrigenergie-Plasmafeld. Darin werden Viren und andere Partikel elektrisch aufgeladen und über einen mit Leitungswasser umspülten Kegel in einen Auffangbehälter transportiert. Das Plasmafeld zerstört dabei die Zellstruktur der Viren und vernichtet diese. Das Wasser ist nach dem Abscheideprozess nachweislich virenfrei, sagt Dietzen. Die Technologie komme ohne unhygienisches Filterwechseln aus und benötige nur wenig Energie, was eine kostengünstige Lösung ermögliche. Die Anlagen könnten in Klassenzimmern und anderen Räumlichkeiten sowie in Fahrzeugen eingesetzt werden. „Wairify“ schaffe es, die Raumluft mit einem Durchsatz von bis zu 300 Kubikmetern pro Stunde umzuwälzen. Bei einer Raumgröße von 20 Quadratmetern werde die Raumluft sechsmal gereinigt.
Nach den Worten von Kreisschuldezernent Winfried Ottmann (CDU) sind die Luftfilteranlagen von Woco vor allem für Räume interessant, in denen die vorhandenen Fenster aus Sicherheitsgründen keine Stoßlüftung zuließen. Die Technik werde man nun in einem mehrmonatigen Praxistest in mehreren ausgewählten Schulen erproben. Luftfilteranlagen könnten allerdings nur ein Baustein von vielen sein, wenn es darum gehe, die Virenlast innerhalb der Klassenräume zu minimieren. Die Abstandsregeln und Hygienebestimmungen, das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen sowie das regelmäßige Lüften der Klassenräume würden dadurch nicht generell überflüssig. Der Praxistest solle nun unter anderem Aufschluss darüber geben, ob die Geräte leise genug arbeiteten, um den Unterricht nicht zu stören. Herausgefunden werden solle zudem, ob sie einen störenden Luftzug verursachten.
Warten auf Zulassung für Busse
Laut Dietzen können die Luftreiniger prinzipiell mit einer Reihe von Sensoren ausgestattet werden, die Informationen zum Beispiel zum Kohlendioxid-Gehalt der Luft liefern, um die Luftqualität innerhalb der Räume zu beobachten. Überdies sei es möglich, dass die einzelnen Geräte in einem Verbund untereinander kommunizierten. Das helfe bei der Einschätzung des Lüftens oder der Personenanzahl in den Räumen. Es handele sich um eine vielversprechende Technologie, die zudem direkt aus dem Main-Kinzig-Kreis stamme, sagte Ottmann. Details des Einsatzes würden in den nächsten Wochen geklärt.
Wochen wird es auch noch dauern, bis erste Hanauer Schulen und Kindergärten mit einer technischen Luftentkeimung rechnen können. Ende August präsentierte das Hanauer Technologieunternehmen Heraeus einen Prototyp zur Viren- und Bakterienentfernung in geschlossenen Räumen durch UV-C-Strahlung. Die Stadt und das Unternehmen schlossen zugleich eine „strategische Partnerschaft“, um in Zukunft so viele Räume und städtische Fahrzeuge mit der Heraeus-Technik auszustatten wie möglich (F.A.Z. vom 29. August). Zuvor gibt es nach Auskunft der Stadt aber eine Reihe von Details zu klären. Das soll insbesondere beim Einsatz von Heraeus-Luftreinigern in einer Hanauer Pilotschule geschehen. Es handele sich um eine kleine Schule, in der es auch Klassenzimmer mit dauerhaft geschlossenen Fenstern gebe. Das Pilotprojekt soll nach den Worten eines Heraeus-Sprechers im Dezember beginnen. Die Stadt möchte vor allem Schulräume ausstatten, deren Fenster sich nicht öffnen lassen. Turnhallen und Mensen sollen folgen.
Schneller als in den Schulen könnte es bei den städtischen Bussen gehen. Wie berichtet, sollen demnächst die Fahrzeuge der Hanauer Straßenbahn GmbH mit Geräten ausgestattet werden, die mit ultraviolettem Licht die Luft reinigen (F.A.Z. vom 12. November). Das ist nach städtischen Angaben wesentlich einfacher als in Räumen, da die erforderlichen Lampen sich relativ unkompliziert in die vorhandenen Luftfilteranlagen einbauen lassen. Ein bis zwei Busse täglich könnten entsprechend aufgerüstet werden. Bisher wurde aber nur ein Bus ausgestattet. Er steht als Prototyp noch in einer Fahrzeughalle. Er könnte sofort losfahren, sagt ein Sprecher der Stadt, doch fehle noch die Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt. Liege diese bald vor, wäre es möglich, dass noch im Dezember die ersten 15 Busse mit UV-C-Strahlungsreinigern durch Hanau rollen.