Schüler malt Corona : Bilder vom Virus
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Keine Schule und Corona: Aus der Langeweile wurde Kunst. Bild: Aders, Hannah
Der elf Jahre alte Louis hat seit dem Lockdown täglich den Corona-Erreger gemalt. Im Lauf der Zeit haben sich seine Bilder stark verändert. Jetzt verkauft der Frankfurter Schüler sie für einen guten Zweck.
Ungefähr 60 Mal hat Louis inzwischen das Coronavirus gemalt, aber er kann nicht alle Bilder zeigen, denn manche sind schon verkauft. Das konnte der elf Jahre alte Schüler nicht vorhersehen, als er sich kurz nach der Schulschließung Mitte März an seinen Schreibtisch im Kinderzimmer setzte und die ersten Virus-Zeichenversuche mit Bleistift machte.
Jetzt steht Louis Schramm, ein schlanker Junge in schwarzem Kapuzen-Sweater und Turnschuhen, in einem kleinen Raum seiner Schule, der IGS Süd in Frankfurt-Sachsenhausen. Von seinem Gesicht ist wenig zu sehen, weil er eine Stoffmaske trägt und der dunkelblonde Pony weite Teile der Stirn verdeckt – und oft auch noch über das Auge fällt.
Auf einem Tisch hat Louis drei Bilder ausgebreitet. Eine Farbbahn in Weiß und Petrol auf schwarzem Grund; getupftes Neon; gespachteltes Orange. Wer nicht weiß, dass hier Corona abgebildet ist, würde mit Blick auf die Werke des Sechstklässlers nicht unbedingt auf Viren tippen. Eher auf farbenfrohe Zeugnisse einer außergewöhnlichen Zeit im Leben eines künstlerisch begabten Jungen.
„In den Ferien war mir halt relativ langweilig“
Louis’ frühe Coronaviren sahen dagegen noch wie Viren aus. Genauer gesagt wie eine Mischung aus den Erklärbildern der Wissenschaftssendungen des Corona-Frühlings und phantastischen Comic-Erregern, gekritzelt auf ein DIN-A4-Blatt, so wie Kinder das eben machen, wenn ihnen langweilig ist. Denn so ging es los: „In den Ferien war mir halt relativ langweilig“, sagt Louis, wobei er mit „Ferien“ die unverhofften Corona-Ferien zur Zeit des Lockdowns meint. Gut, dass die Schüler der selbständigen Gesamtschule die Aufgabe bekamen, sich ein Projekt auszudenken. Schulleiter Uwe Gehrmann erinnert sich: „Der Louis hat dann gesagt: Mein Projekt ist, jeden Tag ein Corona-Bild zu produzieren.“
Seitdem ist einiges passiert. Die neuesten Bilder des Sechstklässlers sind kein Schülergekritzel mehr, sondern abstrakte Gemälde. Louis blättert in einer Sammelmappe. Die Formate sind etwas größer als am Anfang. Er malt nicht mehr auf weißem Papier, sondern auf buntem Karton, vor allem mit Plaka-Farben, oft in Leuchtnuancen oder mit Metallschimmer. Er habe die Bestände seiner Mutter aufgebraucht und sich dann neue Farben gekauft, sagt der Junge. Zum Auftragen nimmt er einen dicken Pinsel oder ein Stück Pappe, das er über das Papier zieht und so die Farbe „runterschmiert“.
Vielleicht liegt es an der Papp-Technik, dass Louis’ neuere Viren nicht mehr rund sind und vielleicht auch gar keine Viren mehr, sondern nur noch eine länglich-eckige Ahnung der Corona-Zeit. Louis geht ins Treppenhaus des alten Schulgebäudes. Entlang der Stufen hängen weitere seiner Bilder in rahmenlosen Bildhaltern. Auf die Bleistiftzeichnungen folgten bunte Fingerabdrücke, die Louis mit Stiftstrichen zu Viren ergänzt hat. Auch mit Filzstift hat der Junge Corona gemalt, aber damit, sagt er, „kann ich eigentlich nicht so gut malen“.
Geld geht an soziales Projekt
Außerdem hat Louis Kartoffeldruck ausprobiert und eine Airbrush-Methode, bei der er Farbe vom Pinsel auf das Papier sprühte. Er hat Viren mit dickem Pinsel getupft, Farbkreise gemalt und verdoppelt, indem er Papier auf Papier presste. Für manche Bilder brauchte er „ganz kurz“, für andere „megalang“, wobei „megalang“ ungefähr eine halbe Stunde bedeutet. Während der Homeschooling-Zeit produzierte Louis fast täglich. „An ein paar Tagen habe ich’s verpeilt.“ Aber er holte es nach. War ja ein Projekt.
Zur Zeit macht Louis eine Malpause. Obwohl er, wie er sagt, sonst eigentlich immer malt, vor allem Animes zeichnet, japanische Zeichentrickfiguren. Im Augenblick ist er allerdings außer mit der Schule und seinem Hobby, dem Kickboxen, damit beschäftigt, Bilder zu verkaufen. Für zehn Euro, von denen er zwei behält und acht für das soziale Projekt „100 Nachbarn“ spendet, das er auf Instagram entdeckt hat. „Das ist für arme Leute im Bahnhofsviertel.“ Auf die Idee ist er gekommen, als er zum Geburtstag von seiner Familie ein Künstler-Bild bekam. „Das hat 300 Euro gekostet, 150 behält der Künstler, und 150 spendet er.“ Louis’ eigene bisherige Kunden, 15 bis 20 Leute aus dem Bekanntenkreis, seien eher älter als er selbst. „Meine Freunde können damit nicht so viel anfangen“, sagt Louis. „Generell beschäftigen die sich mit was anderem. Die brauchen so was nicht.“