Schloss Kransberg : Mittelalterlicher Bergfried neben Weltkriegsbunker
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Schloss Kransberg ist an türkische Investoren verkauft worden Bild: Eilmes, Wolfgang
Schloss Kransberg im Usinger Land hat einen neuen Eigentümer gefunden. Investoren wollen in dem etwa 800 Jahre alten Gemäuer eine Ausbildungsstätte einrichten.
Die Objektbeschreibung lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine ungewöhnliche Immobilie handelt. Etwa 800 Jahre alt, im 19. Jahrhundert in neugotischem Stil ausgebaut, mit knapp 12.000 Quadratmetern großzügig geschnitten. Was Schloss Kransberg von anderen auf das Mittelalter zurückgehenden Burgen abhebt, ist der 1939 in den Fels getriebene und mit dicken Betonwänden versehene Bunker. Und ein leistungsfähiger Internetanschluss wegen der allerjüngsten Vergangenheit als „Business-Center“ für aufstrebende Unternehmen.
Nach dessen Insolvenz stand das historische Gemäuer mehrere Jahre lang zum Verkauf. Jetzt hat es mit einer türkischen Investorengruppe einen neuen Eigentümer gefunden. Sie plant einer Mitteilung des Anwalts Bilgiç Ertürk zufolge die Einrichtung einer Ausbildungsstätte, die mit europäischen Universitäten zusammenarbeite und „internationale Bildungsprogramme“ schaffe. Ertürk kündigte an, die Schloss Kransberg GmbH werde das Bauwerk für die Öffentlichkeit und den Publikumsverkehr öffnen. Sowohl Besichtigungen sollten möglich sein als auch das Mieten von Räumen für Feiern, Hochzeiten oder Marketing-Veranstaltungen von Unternehmen. Schloss Kransberg sei „Teil des kulturellen Erbes des Taunus“. Der Standort biete eine ideale Atmosphäre zum Lernen.
Damit nimmt die lange Geschichte des Schlosses eine neue Wendung. Anfang des Jahres 2000 hatte ein Internetunternehmer das Anwesen erworben, um dort Büroräume mit umfangreicher technischer Ausstattung an kleinere Firmen zu vermieten. Dazu begannen Umbauten und Sanierungsarbeiten, die sich wegen der alten und massiven Mauern aber auch als sehr aufwendig erwiesen. 2007 wurde Schloss Kransberg zwangsversteigert. In einem Rettungserwerb übernahm HMCS, ein auf „Problemkredite“ spezialisiertes Unternehmen, das Objekt und bot es zum Verkauf an. Der jetzt erzielte Verkaufspreis wurde nicht genannt. Von einem Makler war das Schloss für 1,82 Millionen Euro angeboten worden.
Ob dieser Preis realistisch war, wird der Usinger Bürgermeister Steffen Wernard (CDU) bald wissen, denn die Stadt hat ein Vorkaufsrecht. Wernard will möglichst bald ein Gespräch mit dem Investor über dessen Vorstellungen führen. Angesichts der finanziellen Lage Usingens hält er es zwar nicht für sehr wahrscheinlich, dass die Kommunalpolitiker den Einstieg in das Geschäft empfehlen werden. Doch der Bürgermeister will auf die Sanierung und Einhaltung des Denkmalschutzes dringen. Bei einer Begehung hätten Denkmalschützer und Bauaufsicht erhebliche Schäden festgestellt, sagte er. Der Boden des Rittersaals zum Beispiel sei untergraben worden und nicht mehr standsicher. Wernard ist an einer öffentlichen Nutzung interessiert. Wie schon vor 2008 würde er gerne wieder eine Außenstelle des Standesamts in Schloss Kransberg unterbringen. Auch für den Weihnachtsmarkt einer Kransberger Elterninitiative habe das Gemäuer bis zuletzt einen stimmungsvollen Rahmen gegeben.
Die türkischen Käufer haben jetzt den Zuschlag vor einer Usinger Investorengruppe bekommen, die nach Ansicht des Bürgermeisters ein interessantes Konzept mit einer Kombination aus betreutem Wohnen, ärztlicher Versorgung und Begegnungsstätte vorgelegt hatte. Über den neuen Eigentümer ist wenig bekannt. Schloss Kransberg ist nicht seine einzige Investition in Deutschland. Zusammen mit dem Bauunternehmer Volkan Basegmez aus Ankara hat Bilgiç Ertürk vor drei Jahren Gut Gentzrode bei Neuruppin gekauft. Der herrliche, nach der Nutzung durch Wehrmacht und Rote Armee sowie dem folgenden Leerstand aber heruntergekommene Komplex soll saniert und für eine Hotel- und Gastronomienutzung hergerichtet werden. Ertürk und Basegmez haben zudem Interesse an der Westerwaldkaserne in Montabaur bekundet. Das Gelände befindet sich im Eigentum der Bundesimmobilienverwaltung. Die Stadt Montabaur hat Verhandlungen über die Schaffung von Planungsrecht für ein Internationales Handels- und Geschäftszentrums grundsätzlich zugestimmt.
Schloss Kransberg ist den Fernsehzuschauern Ende vergangenen Jahres in einer „Tatort“-Folge des Hessischen Rundfunks begegnet. Ulrich Tukur als Ermittler Felix Murot hatte in Kransberg merkwürdige Erlebnisse zwischen Schein und Wirklichkeit. Erstmals in einer Urkunde erwähnt wurde die Vorgängerburg Anfang des 13. Jahrhunderts als Lehen des Erwinus de Cranichesberc. Im Zweiten Weltkrieg war Schloss Kransberg Teil des Führerhauptquartiers Adlerhorst, und nach 1945 befragten die Alliierten dort Wissenschaftler und führende Nationalsozialisten wie Wernher von Braun oder Albert Speer.