
Kommentar : Eine unfassbar brutale Tat
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Frankfurter Problemviertel: der Ben-Gurion-Ring Bild: Lisowski, Philip
Die Schießerei am Frankfurter Ben-Gurion-Ring zeugt von unglaublicher Grausamkeit, begangen von Männern für die brutale Gewalt alltäglich scheint. Das macht auch die Polizei nachdenklich.
Die Szenen, die sich am Mittwochnachmittag am Frankfurter Ben-Gurion-Ring abgespielt haben, sprechen eine eindeutige Sprache. Hier haben sich keine Kleinkriminellen bekämpft, sondern Männer, die wissen, wie man angreift, verletzt und tötet. Mindestens zwei Magazine muss der Schütze verschossen haben, wenn man den Pistolentyp, den er verwendete, auf die mindestens 17 Schuss hochrechnet, die bei der Obduktion an der Leiche gezählt worden sind. Eine Pistole so schnell nachladen, das kann niemand, der aus einem Affekt heraus zur Waffe greift. Und auch niemand, der Gewalt nicht gewohnt ist, bringt es wohl fertig, nach den Schüssen dann auch noch auf den Kopf seines Opfers mit voller Wucht einzutreten.
Das offenbart eine unfassbare Brutalität, die auch die Polizei nachdenklich macht. Und das wiederum muss den Bürgern Sorge bereiten. Denn es war schon der dritte Vorfall in diesem noch relativ jungen Jahr, in dem im öffentlichen Raum herumgeschossen wurde, und - abgesehen von dem Mord an dem Frankfurter Wettspielbetreiber, der offenbar mit Kalkül von professioneller Hand getötet worden ist - war es bei allen anderen Taten wohl nur glückliche Fügung, dass keine Unbeteiligten verletzt worden sind oder Schlimmeres. Daraus abzuleiten, in Frankfurt könne man nicht sicher leben, wäre unangebracht. Aber dennoch stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass Konflikte, die zwischen Banden oder Familien aus Gründen von Macht, Verteilungskämpfen oder „bloß“ der Ehre willen über einen längeren Zeitraum schwelen, derart ausarten können.
Aus diesem Grund wäre es jetzt falsch, von dem jüngsten Vorfall darauf zu schließen, der Ben-Gurion-Ring gerate wieder zum „sozialen Brennpunkt“. Das, was sich am Mittwoch dort ereignete, hat nicht viel mit gebrochenen Strukturen eines Wohnviertels zu tun, wohl aber mit einer vernachlässigten und missverstandenen Rechtskultur. Anders ist es nicht zu erklären, dass jemand, der mit Ende zwanzig mehr als 50 Straftaten in seinem Leben begangen hat - darunter schwere Körperverletzung, Raub und Bedrohung -, sich offenbar so fern von jeglicher Bestrafung sieht, dass er einfach weitermacht. Und weitermachen kann.