
Kommentar zum Schauspielhaus : Bitte ohne billige Polemik
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Sanieren oder nicht? Und falls nein, neu bauen oder wiederaufbauen? Das Schauspielhaus in Frankfurt Bild: Frank Röth
In Frankfurt fordert eine Bürgerinitiative den klassischen Wiederaufbau des Schauspielhauses. Eine Debatte um das Schauspielhaus ist wichtig, aber nicht so.
Vielleicht sollte man die Bürgerinitiative, die eine Rekonstruktion des alten Frankfurter Schauspielhauses von 1902 fordert, auf eine Studienreise einladen. Die Ziele wären das neue Opernhaus in Oslo und die Philharmonie in Stettin: herausragende Konzerthäuser, die das Stadtbild bereichern und von weither Besucher anziehen.
Für die Rekonstruktionsfreunde jedoch sind moderne Theater und Opernhäuser „seelenlose Beton-Glas-Kisten“. Sie sehnen sich nach dem Stadtbild der Vergangenheit, akzeptable Architektur endet für sie offenbar im Wilhelminismus. Für die Mitstreiter sind die Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz ein „monströses Sammelkulturzentrum“ und, ein schiefer Vergleich, „schlimmste DDR-Architektur“.
Reiner Fassadismus der Befürworter
Gegen Banausentum ist kein Kraut gewachsen. Eine Debatte über Erhalt oder Neubau der Bühnen: sehr gerne, aber bitte ohne billige Polemik. Die Rekonstruktionsfreunde scheinen die Bühnen kaum je betreten zu haben. Der Sechziger-Jahre-Bau hat seine Schwächen, er öffnet sich nur unzureichend zur Wallanlage im Westen. Aber das gläserne Foyer zum Willy-Brandt-Platz war ein grandioser Einfall. Die Aussicht ist phänomenal, und der Blick von der Straße in das in den Theater- und Opernpausen beleuchtete Foyer zeigt das ins Gespräch vertiefte Publikum und eine lebendige Kulturszene. Das Wolkenfoyer der Oper, der helle Chagall-Saal: Auf diese Qualitäten kann Frankfurt nicht leicht verzichten.
Sollte sich die Sanierung nicht lohnen, spricht viel für einen modernen Neubau an gleicher Stelle. Rekonstruktion als Erinnerungsarchitektur sollte auf ausgewählte Orte beschränkt bleiben. Die Initiative hofft, dass sich ähnlich viele Bürger für ihre Idee begeistern wie beim Wiederaufbau der Alten Oper. Doch anders als dort ist vom alten Schauspielhaus kaum Bausubstanz erhalten.
Die verschwundene Schaufassade wiederaufzubauen, um dahinter ein Hightech-Theater zu errichten, wäre aberwitzig. Den Rekonstruktionsfreunden geht es um reinen Fassadismus: Ob hinter der Hülle ein Theater, ein Hotel oder eine Markthalle einzieht, ist ihnen offenkundig egal. Dabei sind Form und Funktion in der Architektur nicht voneinander zu trennen. So willkommen die Debatte auch ist, auf dem Niveau ist sie zu plump.