Tagung des Verfassungsschutzes : „Salafisten sind religiös oft ungebildet“
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Muslime der „Lies!“-Kampagne verteilen Korane auf der Frankfurter Zeil. Bild: Röth, Frank
Bei der Herbsttagung des Verfassungsschutzes wurde über die Gefahr durch Islamisten diskutiert. Es gab eine tiefen Einblick in die Szene. Zudem wurde debattiert, warum die Salafisten so einen großen Zulauf erfahren.
Das hessische Präventionsprogramm im Kampf gegen den Salafismus sei der derzeit vielversprechendste Weg, um den Zulauf in die islamistische Szene dauerhaft zu verhindern. Das sagte am Donnerstagabend der Präsident des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, in Wiesbaden beim Herbstgespräch des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Seiner Ansicht nach ist der hessische Weg deshalb von zentraler Bedeutung, weil er darauf abziele, dass Salafisten schon aufgesucht würden, bevor Polizei und Verfassungsschutz tätig werden müssten. Das sei auch als bundesweites Modell denkbar.
Rund 300 Vertreter aus Politik, kommunalen Ausländerverbänden und Sicherheitsbehörden waren ins Biebricher Schloss gekommen, um der Frage nachzugehen, warum sich viele Jugendliche vom Salafismus angezogen fühlen. Eine eindeutige Antwort gab es nicht, dafür aber einen tiefen Einblick in die Szene selbst.
Einstieg in die Szene kein Zufall
So sagte Thomas Mücke, der als Geschäftsführer des Vereins Violence Prevention Network Salafisten beim Ausstieg aus der Szene hilft, die „religiöse Bildung“ sei bei den meisten Salafisten mitnichten vorhanden. Würden sie mehr über den Islam wissen, wären sie längst nicht so anfällig für die salafistische Ideologie. Nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist der Salafismus vor allem deshalb so erfolgreich, „weil er sich einer Taktik bedient, einzelne Menschen aus der Gesellschaft herauszubrechen“, sagte Palenda. Die Akteure gingen immer nach demselben Muster vor: Sie stifteten Unfrieden, so dass Muslime sich ausgegrenzt fühlten. Das wiederum diene dann als Nährboden für die Radikalisierung.
Weiter sagte Palenda, es gebe kein „eindeutiges Spektrum“. Nicht jeder, der Brüche im Lebenslauf aufweise, werde zum Salafisten. Wobei der Einstieg in die Szene nach den Worten Thomas Mückes kein Zufall sei. „Bevor jemand sich radikalisiert, ist immer irgendetwas vorher mit ihm geschehen.“
Beuth fordert Passentzug
Wie schwierig es im Nachhinein ist, die Biographien von jugendlichen Salafisten zu rekonstruieren, zeigt der „Fall Enis“. Der Frankfurter Schüler war vor einem Jahr in Syrien getötet worden, nachdem er dorthin als Kämpfer ausgereist war. Der Journalist Peter Gerhardt, der in einen Film des Hessischen Rundfunks die Geschichte des Sechzehnjährigen nacherzählt hat, sagte, auch Diskriminierungserfahrungen spielten eine Rolle. Dieser Auffassung war auch Enis Gülegen, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen. Er sagte, es sei noch immer so, dass ein Bewerber mit türkischem Namen schwerer einen Ausbildungsplatz bekomme als einer mit deutschem Namen. „Wer diese Diskriminierungserfahrung macht, ist auch anfälliger für Extremismus.“
Der hessische Verfassungsschutzpräsident Roland Desch sagte, man stehe dem Salafismus nicht machtlos gegenüber. Es sei notwendig, dass die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit muslimischen Verbänden eine Lösung fänden. Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach sich abermals dafür aus, die rechtlichen Grundlagen dahingehend zu ändern, dass Aus- und Einreisen von Salafisten erschwert würden, etwa durch einen Passentzug. Es sei nicht hinzunehmen, dass neue Kämpfer aus Deutschland kämen, um für den Dschihad ausgebildet zu werden.