„Russenhaus“ in Jugenheim : Als der Zar sein Reich vom Heiligenberg aus regierte
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Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein und Bruder Alexanders, hatte 1858 die bürgerliche Julie zur Prinzessin von Battenberg erhoben. Das Paar hatte fünf Kinder. Der älteste Sohn Ludwig von Battenberg/Mountbatten, war Großadmiral der englischen Flotte, seine Tochter war Alice von Battenberg. Folglich ist Prinz Philip sein Enkel.
Bis zu 3000 Kurgäste im Dorf
Ludwigs Bruder Alexander wurde nach dem Berliner Kongress 1878, als das vom Osmanischen Reich losgelöste Fürstentum Bulgarien gegründet wurde, zum ersten Fürsten gewählt. Eine Plakette am Schloss erinnert an ihn. In den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Heiligenberg zu einem Zentrum der europäischen Diplomatie und politischer Begegnungen auf höchster Ebene. Die vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen halfen dabei, auch wenn die Preußen in Berlin und die Battenberger einander nicht mochten. Immerhin trafen sich auf dem Heiligenberg 1875 Kaiser Wilhelm I., Zar Alexander II., Erzherzog Albrecht von Österreich und Otto Fürst von Bismarck zur Bekräftigung des Dreierbundes. Doch mit dem Ende der Zarenbesuche und nach dem Tod Alexanders 1888 verlor Schloss Heiligenberg den Charakter als Ort politischer Begegnungen.
Darüber vor allem berichten die Tafeln in dem neuen Informationszentrum. Sie halten die dynastischen Verbindungen zwischen Hessen und den europäischen Fürstenfamilien fest, erläutern auch das Erwachen des kleinen Bergstraßendorfes Jugenheim, als nicht nur die engere hessische Verwandtschaft aus Darmstadt zu Besuch war, sondern der Hochadel. Weil selten das gesamte Gefolge auf dem Heiligenberg unterkam, mussten manche Besucher auf Quartiere im Dorf ausweichen. Zudem wollten alle möglichen wichtigen Leute dem Geschehen auf dem Hügel nahe sein. Ärzte, Bankiers, Beamte, Künstler und Industrielle kamen und bauten. Es gab Villen mit schönen Vorgärten und Parks, Hotels, Gasthöfe und Bäder. 3000 Kurgäste registrierte man in den besten Zeiten in dem Dorf.
Ein Informationshaus, kein Museum
Im Russenhaus werden die Besucher durch zwei Etagen geleitet, ein Raum gehört der Stiftung, und einer wird zum Archiv. Denn Stiftung und Heimatverein wollen dort ihre Sammlung zum Heiligenberg zusammenführen. Stolz sind sie auf zwei CDs aus dem russischen Staatsarchiv, auf denen festgehalten ist, was die Russen an Postkarten schickten, was an Depeschen aus Jugenheim versandt wurde, als der Zar vom Heiligenberg aus sein großes Reich regierte. Es ist bewusst nicht als Museum mit vielen Exponaten gestaltet, sondern mehr als Informationshaus mit vielen Texten und Bildern.
Zu den nächsten Plänen der Stiftung zählt ein historischer Pfad über den Heiligenberg zur Zehntlinde, zum Mausoleum der Battenberger, zu den Ruinen des früheren Klosters und zum Goldenen Kreuz, das die Kinder Marie und Alexander zum Gedenken an Wilhelmine 1866 gestiftet hatten. Man sieht es schon von weitem aus der Rheinebene.