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Manege gesperrt : Wie eine Zirkusfamilie die Corona-Krise aussitzt

Trübe Aussichten: Blick in die leere Manege des Circus Barus. Bild: Frank Röth

Normalerweise zieht die Familie Frank mit ihrem Zirkus alle paar Wochen um an einen neuen Spielort. Wegen der Pandemie hängen Mensch und Tier nun schon seit Monaten in Offenbach fest.

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          Blumen pflanzt nur, wer bleibt. Deshalb können Besucher des Circus Barus schnell sehen, dass etwas anders ist als sonst: Am Terrassengeländer vor einem der Wohnwagen hat Zirkusbesitzer Marco Frank vier Balkonkästen aufgehängt. Seine Frau habe ihn gefragt, was das solle, sagt er: „Doch ich dachte, ich mach das jetzt. Dabei kenne ich mich überhaupt nicht mit Blumen aus.“ Einen Teil der Gewächse haben die Franks geschenkt bekommen. Wie so vieles in diesen Tagen. Denn seit Monaten hängt die Zirkusfamilie in Offenbach fest: keine Reisen, kein Publikum, keine Einnahmen.

          Anna Vollmer
          Redakteurin im Feuilleton.

          Wenn man Frank fragt, wie es läuft, kommt er gleich ins Erzählen. Seine größte Sorge ist ein Laster, der es im März nicht über den TÜV geschafft hat. Ohne Laster geht es nicht weiter, können keine Zelte montiert, keine Heuballen für die Tiere geholt werden. Einen „wirtschaftlichen Totalschaden“ hätten sie das Fahrzeug in der Werkstatt genannt, sagt Frank und meint damit: Da lohnt sich keine Reparatur. Um einen neuen zu besorgen, brauchen die Franks acht- bis elftausend Euro. Wenn das Geschäft noch liefe, wäre das vielleicht zu schaffen, in diesen Tagen aber ist das undenkbar. Die Zirkusfamilie bekommt Hartz IV, die rund 40 Tiere – vom Affen bis zur Ziege, vom Esel bis zum Pony - leben von Spenden. Die brauchen die Familie nun auch für einen neuen Lkw.

          „Einen Tag werde ich wahrscheinlich meinen Lebtag nicht vergessen“, sagt Bianca Frank. „Da sitze ich mit meinem Mann vor dem Fernseher, wir schauen die ganzen Corona-Nachrichten an. Und er sagt zu mir: Bianca, fahren wir überhaupt nach Offenbach?“ Da hätten sie aber ohnehin gerade ihre jährliche achtwöchige Pause hinter sich gehabt. Eine Zeit für Reparaturen, Behördengänge, Arztbesuche. Doch nach dieser Pause müsse man natürlich auch wieder Geld verdienen. Sie fuhren also los, nach Offenbach. Ließen Plakate und Flyer drucken. In Offenbach läuft es normalerweise gut. „Wir dachten also, wenn Offenbach noch klappt und dann die Schließung kommt, dann haben wir immerhin noch etwas Geld verdient“, sagt Frank.

          Die Platzmiete, die Kaution, der Sprit – all das war schon bezahlt

          Die erste Woche sei schon schlecht gelaufen, die zweite noch schlechter. Dann sei der Anruf der Gemeinde gekommen und es war Schluss. Die Werbung, die Platzmiete, die Kaution, der Sprit: All das war schon bezahlt, ohne dass die Franks nun Geld verdienen konnten. Die Firma Clariant, auf deren Gelände der Zirkus steht, habe ihnen die Kaution dann aber zurückerstattet. Auch Miete müssen sie inzwischen keine mehr zahlen. „Das sind wirklich tolle Leute“, sagt Marco Frank. Wenn man vom Zirkus komme, sei man ein Überlebenskünstler, sagt Bianca Frank. Man lebe immer von einem Tag auf den nächsten, wisse nie, was komme. Diese Zeiten seien aber trotzdem anders als alles zuvor, sagt ihr Mann. Selbst in der Nachkriegszeit habe es ja Vorstellungen gegeben, Aufheiterung brauchten die Menschen schließlich immer.

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