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Castoren-Transport : Und keiner geht hin

  • -Aktualisiert am

Querstellen ist besser als Querdenken: Drei Demonstranten halten einen kurzen und friedlichen Protestzug ab. Bild: Lando Hass

Der erwartete Protest gegen das Atommüllzwischenlager in Biblis ist ausgeblieben. Die junge Generation der Umweltbewegung hat mit der Atomkraft lange abgeschlossen.

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          Die Zeiten ändern sich: Als vor zehn Jahren zum Protest gegen die Atomkraft gerufen wurde, kamen 10.000 Demonstranten nach Südhessen und umringten die Meiler in Biblis mit einer Menschenkette. Der Protest am Mittwoch gegen den Atommülltransport in das dortige Zwischenlager aber blieb die Sache weniger Atomkraftgegner, viele von ihnen Veteranen der Proteste in Wackersdorf, Gorleben und Brokdorf. Offenbar mobilisiert mittlerweile der Bau eines Autobahnteilstücks irgendwo zwischen Alsfeld und Gießen mehr Widerstand als der Protest gegen die Nutzung der Atomenergie – so eng der auch mit dem Gründungsmythos der Umweltbewegung verknüpft ist.

          Der wichtigste Grund liegt auf der Hand: Das Thema ist erledigt. Unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima ist der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland beschlossen worden, und es zeichnet sich nicht ab, dass an dieser Entscheidung gerüttelt würde. Über andere Themen, maßgeblich den Klimaschutz, wird hitziger in der Umweltpolitik gestritten – das bewegt die Fridays-for-Future-Generation mehr als Kernkraft und Castoren.

          Verantwortung für Atommüll

          Zudem leidet der Protest gegen die Atommülltransporte an einer zugkräftigen Begründung. Klar, über alte Brennstäbe und Castoren freut sich kein Mensch, und ein Zwischenlager ist keine Attraktion für das hessische Ried – aber Untätigkeit ist keine Option. Unbestritten ist der Atommüll in Deutschland entstanden, also hat sich Deutschland um dessen Zukunft zu kümmern.

          Aus der Vogelperspektive: Die Polizei beobachtet mit zwei Hubschraubern die Lage. Bilderstrecke
          Die Castor-Transporte : Ankunft und Demo in Biblis

          Das sieht auch das von einer Ministerin der Grünen geführte hessische Umweltministerium so. Die politisch durchaus beweglichen hessischen Grünen beweisen im Falle Biblis Realitätssinn: Der treuherzige Vorschlag der Castor-Gegner, man solle die alten Brennstäbe doch einfach in Sellafield in der Wiederaufbereitungsanlage lassen, taugt bestenfalls als Beispiel für das Sankt-Florians-Prinzip.

          Der Atomausstieg, fehlende Argumente und ein wenig auch die Corona-Pandemie haben dem Protest gegen die Castoren den Garaus gemacht. Das heißt aber nicht, es gebe mittlerweile eine schweigende Mehrheit für eine Kehrtwende in der Atompolitik, sondern nur, dass es konkret einfach keinen Anlass zum Streit gibt.

          Hanns Mattes
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

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