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Feste in der Corona-Krise : Weinproben am Bildschirm

Schönste Weinsicht: Auf der Hiwweltour erstreckt sich der Blick über die Weinberge bei Zornheim. Bild: Rheinhessenwein e.V.

Nicht nur der Mainzer Weinmarkt fällt Corona zum Opfer: Auch die Feste in rheinhessischen Dörfern sind abgesagt. Als Ersatz gibt es virtuelle Angebote. Oder man erwandert die prämierte Aussicht auf dem Zornheimer Berg.

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          Über die Qualität des Weines, Jahrgang 2020, darf noch spekuliert werden. „Es war bisher ein ganz normaler Sommer“, urteilt Udo Diel, der für den in Alzey beheimateten Rheinhessenwein-Verein Monatsberichte aus den Wingerten anfertigt: „Den Reben tat das auch gut, mal nicht die Hitze und extreme Trockenheit der vergangenen beiden Jahre überstehen zu müssen.“ Nun, wo vielerorts die Blätter entfernt seien, damit die Trauben frei hängen, scheine der zu erwartende Ertrag zum Teil „gewaltig“.

          Markus Schug
          Korrespondent Rhein-Main-Süd.

          Das allerdings könne täuschen, sagt Diel. Er selbst rechnet eher mit einem normalen Ertrag und auch damit, dass es den ersten Federweißen um den 10. August herum gebe. Vier Wochen später dürfte dann die eigentliche Lese beginnen, was vor allem vom Wetter im Spätsommer abhänge. Für den Endspurt seien viel Sonne und der eine oder andere Landregen wünschenswert.

          Schon jetzt lässt sich dagegen sagen, dass die Weinfest-Saison 2020 für Winzer und Weinfreunde eine Katastrophe gewesen ist. Die Liste der Absagen ist lang. Und vor wenigen Tagen wurde erwartungsgemäß auch der Mainzer Weinmarkt, der normalerweise am letzten August- und am ersten Septemberwochenende mehr als 300.000 Gäste an die Stände im Stadtpark lockt, offiziell aus dem Terminkalender gestrichen. „Es schmerzt sehr, dass eines der beliebtesten Weinfeste Deutschlands in diesem Jahr nicht stattfinden kann“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), der lange darauf gehofft hatte, gemeinsam mit dem Veranstalter, der Mainzplus Citymarketing GmbH, doch noch ein tragfähiges Konzept für die Großveranstaltung zu finden.

          Da alle Überlegungen hinsichtlich der Abstände, einer Entzerrung, der Kontakterfassung und der wegen der Corona-Pandemie ebenfalls notwendigen Hygieneregelungen letztlich aber nicht überzeugen konnten, habe man sich schweren Herzens zur Absage des Weinmarkts entschieden, der nun wohl erst im August und September 2021 wieder zu erleben sein werde. „Als Weinhauptstadt Deutschlands braucht und liebt Mainz Feste wie den Weinmarkt“, sagte Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU): „Leider hat uns Covid-19 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch Gesundheit und Sicherheit gehen vor.“

          Dabei war die Streichliste ohnehin schon lang genug: Angefangen beim beliebten Marktfrühstück, das normalerweise von April bis Oktober an jedem Samstag auf dem Liebfrauenplatz zu erleben ist, bis hin zum Megaevent „Mainzer Sommerlichter“, das eigentlich am 24. und 25. Juli direkt am Rheinufer zu erleben gewesen wäre.

          Auch die für Oktober geplante Jahreskonferenz des weltweiten Netzwerks „Great Wine Capitals“ ist mittlerweile gecancelt und um ein Jahr verschoben worden. Gerade für die aus Übersee kommenden Mitglieder des Marketingverbundes, dem aktuell elf renommierte Weinbauregionen angehören, wäre es vermutlich nicht möglich gewesen, zum Tagen an den Rhein zu kommen, begründete Dezernentin Matz die Verschiebung. Mainz wolle und werde aber auch 2021 ein guter Gastgeber sein, der dann hoffentlich wieder dazu passende schöne öffentliche Begleitveranstaltungen organisieren könne.

          Kellerwegfest kann digital besucht werden

          Bis auf weiteres gehen Weinfreunde im hügeligen Rheinhessen vor allem wandern – zum Beispiel auf den eigens für sie zusammengestellten Hiwweltouren –, oder sie bedienen sich verschiedener Netzangebote. So lässt sich das beliebte Kellerwegfest derzeit digital besuchen, damit man auch 2020 einen Blick in die sehenswerten Guntersblumer Weinkeller werfen kann. Zudem sind Online-Weinfeste und virtuelle Weinproben, bei denen dem Kunden vorab ein Sechser-Gedeck nach Hause geliefert wird, der Renner.

          Im kleinen Kreis und unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften darf zwar auch in den Weingütern selbst schon wieder getagt werden. Gut die Hälfte der zirka 2400 rheinhessischen Weinbaubetriebe, die sich auf 136 Gemeinden verteilen, sind als Direktvermarkter sehr daran interessiert, auch in der Krise nah am Kunden zu sein. In Mainz haben die Winzer eigens dafür die neue Reihe „Marktfrühstück im Winzerhof“ konzipiert: An wechselnden Schauplätzen darf dabei seit dem 4. Juli und noch bis Ende Oktober jeweils von 11 bis 17 Uhr Wein verkostet werden.

          Wer jedoch möglichst wenig Menschen um sich haben möchte, packt sich am besten eine Flasche in den Rucksack und geht wandern. Der gerade einmal sieben Kilometer lange Rundweg „Hiwweltour Zornheimer Berg“ ist – abhängig von der Dauer der Rast – in zwei Stunden zu schaffen. Die Strecke, genauer gesagt der Aussichtspunkt am Ruhkreuz, ist vom Deutschen Weininstitut im Frühjahr zur „schönsten Weinsicht“ in Rheinhessen erkoren worden. Das war ja wenigstens eine gute Nachricht in einem Jahr, das viele böse Überraschungen bereithielt.

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