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Ländlicher Raum : „Verkehrswende nicht nur auf der Schiene denken“

  • -Aktualisiert am

Erhaben: Odenwaldbahn-Zug unterwegs auf dem Himbächel-Viadukt Bild: dpa

Wanderten früher junge Menschen aus dem Odenwald in umliegende Städte ab, hat sich der Trend durch Corona umgekehrt. Sorgen macht dagegen etwa die ärztliche Versorgung – und die Bahnanbindung.

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          Angesichts der Pandemie falle es schwer, neue Ideen für die Zukunft zu entwickeln, schreibt der Odenwälder Landrat Frank Matiaske (SPD). Um dann gleich ein paar Vorschläge zu entwickeln, wie es in dem Landkreis weitergehen könnte. Vor dem Hintergrund des Klimawandels warnt der Landrat davor, immer mehr Wald einzuschlagen. Die Kreisfläche besteht zur Hälfte aus Wald. Es dürfe nur so viel Holz entnommen werde, wie nachwachse, künftig müsse „ehrliche Nachhaltigkeit“ gelebt werden. Qualität statt Quantität, wiederverwenden statt wegwerfen und mehr regionale Produkte nennt Matiaske als Beispiele.

          Wanderten früher junge Menschen in umliegende Städte ab, hat sich der Trend durch Corona umgekehrt. Das merke man nicht nur an den deutlichen gestiegenen Immobilienpreisen, wie Matiaske der F.A.Z. sagt, sondern auch an der Tatsache, dass es kaum noch Leerstände gebe. Viele Häuser seien saniert worden und wieder bewohnt, wovon vor allem Kernstädte und Ortsteile profitierten. Der Zuzug in den Odenwald führe auch zu einer deutlich höheren Ansiedlung von Ärzten. Dennoch schaut Matiaske mit Sorge auf die ärztliche Versorgung, denn in den nächsten zehn Jahren würden etwa zwei Drittel der im Odenwald praktizierenden Ärzte in den Ruhestand gehen.

          Zuzug in den Odenwald

          Sorgen mache ihm zudem die Finanzierung der kleinen Krankenhäuser. Bundes- und Landespolitik wollten offenbar die kleineren Kliniken im ländlichen Raum nicht mehr, obwohl diese für die wohnortnahe Versorgung der Menschen wichtig seien, was Corona deutlich gezeigt habe.

          Angesichts des Zuzugs in den Odenwald warnt der Landrat vor der Ausweisung immer neuer Baugebiete. „Das wäre alles andere als nachhaltig.“ Wenn er etwa durch Erbach gehe, sehe er viele Häuser aus den siebziger Jahren, oft mit 300 und mehr Quadratmeter Wohnfläche, die meist nur noch von ein oder zwei Personen hohen Alters bewohnt würden. In diesem Immobilien sieht Matiaske eine Chance für die Zukunft. Gemeinsam mit Investoren sollten in diesen Häusern kleine, altersgerechte Wohnungen entstehen. Dann würden ältere Menschen, die mit ihrem Eigenheim überfordert seien, in solche Wohnungen umziehen und die frei werdenden Eigenheime könnten jungen Familien zur Verfügung stehen.

          „Die Verkehrswende dürfen wir nicht nur auf der Schiene denken und voranbringen“, spricht der Landrat. Der ländliche Raum könne nie so gut an den Ballungsraum angebunden werden wie die Kommunen in unmittelbarer Nähe der Städte. Chancen sieht Matiaske hingegen für autonom fahrende Autos und Busse und Car-Sharing.

          Gedanken macht sich der Landrat auch über die Dörfer. Über die Stadt der Zukunft werde viel diskutiert, für den ländlichen Raum fehlten jedoch Ideen. Der Landrat wünscht sich den Neubau eines beruflichen Schulzentrums von 2023 an. Mit der Hochschule Darmstadt und der IHK führte der Landrat Gespräche, um einen Studiengang „internationale Betriebswirtschaft“ im Odenwald zu etablieren, was inzwischen realisiert ist. Weitere Schwerpunkte eines dualen Studiums könnten die Themen Kunststoff und Kautschuk sein, weil es im Odenwald Unternehmen gibt, die in diesen Berufen ausbilden. Matiaske schwebt außerdem eine Holzbildhauerklasse vor, davon gibt es in Deutschland nicht allzu viele. Und schließlich sollen im Odenwald bald auch Rentner studieren können.

          „Mehr Kreuzungsbahnhöfe nötig“

          Als dringlich sieht der Landrat den Ausbau der Odenwaldbahn an. Die gesamte Strecke jedoch zweigleisig zu gestalten, sei unrealistisch. Stattdessen müsse es mehr Kreuzungsbahnhöfe geben, der Takt solle auf 20 bis 30 Minuten verkürzt und die Züge durch intelligente Elektronik so gesteuert werden, dass es in den Begegnungsbahnhöfen nicht zu unnötigen Wartezeiten komme. Mit dem E-Bike zum Bahnhof könne, entsprechende Taktzeiten der Züge vorausgesetzt, eine Alternative zum Auto sein. Schließlich hat der Kreis eine Mitarbeiterin für Fördermittelberatung eingestellt, denn gerade in kleinen Kommunen sei das Wissen um die Fördertöpfe von Land und Bund nicht immer ausreichend vorhanden.

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