Tödlicher Unfall in Wiesbaden : Strafbefehl gegen Busfahrer beantragt
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Beschädigt: Der Bus nach dem Unfall am 21. November 2019 vor dem Wiesbadener Hauptbahnhof Bild: Marcus Kaufhold
Nach dem spektakulären Busunfall vor dem Wiesbadener Hauptbahnhof mit einem Toten im November 2019 sieht der Busfahrer einem Strafbefehl entgegen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung vor. Technisches Versagen ist ausgeschlossen.
Kein technisches, sondern allein menschliches Versagen ist die Ursache des schweren Verkehrsunfalls, bei dem im November 2019 ein 85 Jahre alter Mann getötet und 23 Personen verletzt wurden. Damals war ein Omnibus der kommunalen Verkehrsgesellschaft Eswe am Bahnhof unvermittelt quer über den ersten Ring in eine gegenüberliegende Bushaltestelle gefahren. Dabei hatte er zunächst drei Autos gerammt, den Grünstreifen überrollt, drei weitere Fahrzeuge beschädigt und war dann auf einen Linienbus aufgefahren, der auf der anderen Fahrbahnseite vor einer Haltestelle stand. An dieser Haltestelle erfasste der Bus zwei Fußgänger, darunter den später Verstorbenen.
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Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Rheingau-Taunus-Kreis und für Wiesbaden.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat ihre Ermittlungen gegen den heute 66 Jahre alten Busfahrer abgeschlossen und beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls erwirkt. Sie verlangt die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen fahrlässiger Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe sollte zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft hatte ferner beantragt, dem Angeschuldigten die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das Gericht kam diesem Antrag der Staatsanwaltschaft nach. Dagegen hat der Busfahrer Einspruch eingelegt.
Notlöseschalter umgeht die Bremsfunktion
Die Ermittlungen gegen einen Busfahrerkollegen, der dem Beschuldigten das Fahrzeug entgegen der Dienstanweisung von Eswe mit aktivierter Getriebeeinstellung „D“ übergeben haben soll, wurden eingestellt, weil die anschließenden, tragischen Geschehnisse allein vom Beschuldigten zu verantworten seien. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft übernahm der Beschuldigte den Gelenkbus von seinem Kollegen gemäß Dienstplan am Bussteig C der Haltestelle am Bahnhof.
Die Weiterfahrt gelang ihm aber nicht, weil der Bus zu diesem Zeitpunkt zur Bordsteinkante geneigt war, um den Fahrgästen den Einstieg zu erleichtern. Eine Abfahrt war „in diesem Fahrzeugzustand, bei geöffneten Türen und aktivierter Seitenneigung aufgrund der automatisch aktivierten Haltestellenbremse des Omnibusses nicht möglich“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.
Anstatt nun wie vorgeschrieben seinen Fahrersitz zu verlassen und die Türen manuell zu schließen, betätigte er den sogenannten Notlöseschalter, der die Bremsfunktion umgeht. Bei dieser Gelegenheit trat der Busfahrer laut Staatsanwaltschaft versehentlich auch noch auf das Gaspedal. Das beschleunigte den Bus ruckartig wegen der noch immer aktivierten Automatikstellung „D“ nach vorn.
Der überraschte Fahrer trat das Gaspedal durch, in der irrigen Meinung, es sei das Bremspedal. Danach dauert die Fahrt quer über den Kaiser-Friedrich-Ring 12,2 Sekunden, in denen der 18,5 Tonnen schwere Bus nicht nur 53,2 Meter zurücklegte, sondern sechs Autos beschädigte, deren Insassen unterschiedlich schwer verletzt wurden. Schließlich endete die Irrfahrt am Heck eines Gelenkbusses der Mainzer Verkehrsbetriebe. Dabei wurde der 85 Jahre alte Mann erfasst und gegen den Träger der Haltestelle gedrückt. Er erlag später seinen schweren Verletzung. Verletzt wurden auch mehrere Fahrgäste der beiden Busse.
Laut den Ermittlungen gibt es „keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen technischer Mängel“ an dem Linienbus und auch keine gesundheitlichen Einschränkungen des Busfahrers. Die Staatsanwaltschaft geht vielmehr davon aus, dass der Busfahrer den Bus hätte rechtzeitig zum Stehen bringen können.