Tiere als Helfer : Expedition nach Lamahausen
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Zottelige Namensgeber: In Lamahausen leben Lamas mit anderen Tieren und den Besitzerinnen zusammen. Bild: Karola Müller von der Grün
Zwei Frauen leben in der hessischen Rhön mit Lamas, Ziegen, Hunden, Hühnern und Kaninchen in einer Wohngemeinschaft. „Auf Augenhöhe“, wie sie sagen. Sie glauben an die heilsame Wirkung der Tiere.
Das Ortsschild lügt nicht. Schon während das Auto vom schmalen, vereisten Feldweg in der Rhön auf die noch schmalere Hofeinfahrt einbiegt, recken sich hinter dem Gatter zwei, drei, vier zottelbehaarte Köpfe an zottelhaarigen Hälsen, und große braune Augen halten unter hochgespitzten Ohren Ausschau nach den Gästen.
Die einen dieser Zottel kommen sogleich ans Tor, scheinen fast zu lächeln mit ihren langen, gelben Zähnen, während andere noch weit hinten auf der schneebeglänzten Weide warten, und ein kleiner, felliger Paarhufer, der scheckige Kasimir, die Gunst der Stunde nutzt und wenig länger und dafür allein an einem Futtertrog verweilt. Ohne Frage: Das sind Lamas.
Verein „Lamas helfen Menschen“
Sie haben mitten in der Rhön nahe der Wasserkuppe ihr Zuhause. In Lamahausen. Und kaum haben die Vierbeiner die Besucher ins Visier genommen und die Fremden mit ihrer vielfältigen Gestik und Mimik, einem ausdrucksstarken Zusammenspiel von Gesichtsmuskulatur, Ohrstellung und Augenhöhe, mal angelockt und dann wieder in die Schranken verwiesen, da kommen auch schon die beiden zweibeinigen Geschöpfe der Lebensgemeinschaft aus dem Haus.
Es sind Karin Grygier, Erster Vorstand des gemeinnützigen Vereins „Lamas helfen Menschen“, und der zweite Vorstand, Schwester Debora Ulrike Schneider. Die Pädagogin in Schwarz ist eine gottgeweihte Frau, eine Virgo consecrata, die dem Bischof für immer ein Leben im Stand der Jungfräulichkeit gelobte. So, wie diese beiden Frauen strahlen, müssen sie zu den glücklichsten Menschen zählen, und indem sie von ihrem erfüllten Leben mit Tieren und Menschen in der vermeintlichen Einsamkeit der Rhön erzählen, sind sie das auch.
Neben Lamas leben hier noch Hunde, Ziegen und Hühner
Die beiden Frauen stehen nicht nur wegen ihres Alters mitten im Leben, sondern auch aufgrund ihrer Lebensumstände. Karin Grygier ist Gymnasiallehrerin, arbeitete aber zunächst als Journalistin und ist nun Qualitätsmanagerin in einer Fachklinik. Schwester Debora arbeitet beim Sozialdienst katholischer Frauen in Fulda und kümmert sich um Frauen, deren Leben enttäuschend verlaufen ist. Die Managerin steht morgens gegen 4 Uhr auf, um die großen Tiere zu füttern.
Schwester Debora schläft etwas länger und kümmert sich um die kleineren Tiere, denn außer einem guten halben Dutzend Lamas leben in Lamahausen noch Hunde, Ziegen, Kaninchen und Hühner aus dem Himalaya, denen der Winter nichts anzuhaben vermag, selbst wenn der Schnee in der Rhön bis in den Mai liegen sollte. Mit ihren beiden Geländewagen fahren die Frauen tagsüber getrennte Wege, um sich abends wieder um ihre Mitgeschöpfe zu kümmern. Sie haben sich entschieden, mit den Tieren auf Augenhöhe zu leben, wie sie sagen.
Dankbar für die Schöpfung
Und sie meinen es auch so. Jüngst habe ein Junge, der zu Besuch war, gesagt, er kenne Hühner nur als Chicken McNuggets. Danach habe er Emma, ein schneeweißes Hühnchen, auf den Arm genommen und ihm in die Augen gesehen. Als er vom Hof ging, habe er gesagt, dass ihm die Nuggets nun wohl nicht mehr schmeckten. „Wir sind dankbar für die Schöpfung“, sagt Grygier, „sie gehört uns nicht, aber wir sind für sie verantwortlich. Und wir können Tiere und Pflanzen essen, wenn wir sie artgerecht halten.“
Die franziskanische Lebensweise, sagt Schwester Debora, habe sie auch wegen des Lebens von Mensch und Tier auf einer Ebene schon immer angesprochen. Zunächst habe sie sich als Gemeindereferentin in einer Pfarrei in Unterfranken um streunende Katzen gekümmert. Dann habe sie einen Hund gefunden, der ausgesetzt gewesen sei. Der Hund sei ihr zum Therapeuten geworden, als sie später eine pädagogische Einrichtung geleitet habe. „Denn so ein Hundchen hat so etwas Unvoreingenommenes. Es will nichts von den Frauen haben, es tut ihnen nichts. Und die Frauen wollen es deshalb nur streicheln“, sagt Schwester Debora.