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Thorsten Winter (thwi)

Uni-Klinik Gießen und Marburg : Streik mit Blick nach Wiesbaden

Streitfall: Am Uni-Klinikum Gießen und Marburg verhandeln Verdi und Chefetage um einen Entlastungs-Tarif begleitet von Streiks Bild: dpa

Der Streik von nichtärztlichen Beschäftigten am Uni-Klinikum Gießen und Marburg kommt so überraschend wie Weihnachten. Er hat auch mit der andauernden strukturellen Benachteiligung des Klinikums zu tun.

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          Seit anderthalb Jahren herrscht Unruhe am einzigen privatisierten Uni-Klinikum hierzulande. Zuerst verunsicherte die ungewisse Aussicht auf die weitere Förderung durch das Land viele Beschäftigte und Patienten am Uni-Klinikum Gießen und Marburg. Kaum haben der Mehrheitseigner Rhön-Klinikum AG und das Land den Zukunftsvertrag unterzeichnet und diesem Supramaximalversorger eine bessere finanzielle Ausstattung zugesagt, tun sich die beiden nächsten Baustellen auf.

          Die Chefetage des für Forschung und Lehre wichtigen Klinikums muss mit den Krankenkassen um die Zukunft der am Standort Marburg ansässigen Schwerionentherapie gegen gewisse Tumoren verhandeln und mit der Gewerkschaft Verdi um den von Beschäftigten verlangten Tarifvertrag, der ihnen den Arbeitsalltag erleichtern soll. Beides hat wiederum mit einer andauernden strukturellen Benachteiligung des Uni-Klinikums an der Lahn zu tun.

          Dass Hunderte Beschäftigte des nichtärztlichen Personals streiken und den Ausstand noch bis Ende der Woche fortsetzen wollen, kommt so überraschend wie das nächste Weihnachtsfest. Schließlich ist das von ihnen gesetzte Ultimatum zur Einigung auf einen Entlastungs-Tarif vergangenen Freitag ohne Ergebnis ausgelaufen. Vor allem Pflegekräfte wollen mehr Kollegen an ihrer Seite sehen. Kinderkrankenschwestern fehlt nach eigenen Worten die Zeit, um besorgte Mütter beruhigen um können.

          UKGM vom Land unterfinanziert

          Aber andere Mitarbeiter erleben die Personaldecke ebenfalls als arg dünn. Sicherheitsmitarbeiter müssen sich demnach im Zweifel entscheiden, ob sie die Landung des Rettungshubschraubers absichern oder einen Randalierer in der Notaufnahme zur Räson bringen. Die Reihe an Beschwerden ließe sich fortsetzen.

          Doch kostet mehr Personal Geld. Nun entlohnt die Klinik seit 2020 die Pflegekräfte aus einem dafür vorgesehenen und mit den Kassen vereinbarten Topf. Klar ist derweil: Die im Zukunftsvertrag genannten 45 Millionen Euro stehen für Löhne nicht zur Verfügung. Sie sind alleine für Investitionen in Technik und Bauvorhaben gedacht. Dessen ungeachtet hätte das Uni-Klinikum mehr Spielraum, müsste es nicht jährlich 38 Millionen Euro für Zinsen und Tilgung aufwenden für Kredite aus der Kasse des Mehrheitseigners.

          Dies wiederum liegt letztlich an der Unterfinanzierung durch das Land. Der neue Zukunftsvertrag lindert diesen Mangel, ändert aber nichts am Grundsatz. Denn anders als alle anderen Kliniken hierzulande muss das Uni-Klinikum Gießen und Marburg einen Teil der Investitionen selbst aufbringen. Dieser Punkt kommt im Ringen von Verdi um einen Tarif zur Entlastung zu kurz.

          Thorsten Winter
          Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für Mittelhessen und die Wetterau.

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