Straßenhunde aus dem Ausland : Flüchtlinge auf vier Pfoten
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Harter Überlebenskampf: ein Straßenhund in Albanien Bild: dpa
Die Arbeit vieler Tierschutzvereine endet nicht an Landesgrenzen. Sie engagieren sich auch im Ausland und holen sogar Tiere nach Deutschland. Doch das ist umstritten.
Deutschland hat Pauli zunächst kein Glück gebracht: Weil die Besitzer des Mischlings aus Ungarn in die Bundesrepublik zogen, gaben sie den Hund vor der Abreise in ein Tierheim. Doch nun ist auch Pauli in Deutschland und hat ein neues Zuhause. „Er ist ein lieber Hund, und keiner wollte, dass er in Ungarn als Kettenhund vermittelt wird“, sagt Karsten Plücker, Leiter des Kasseler Tierheims Wau-Mau-Insel. Deshalb holte Plücker Pauli nach Hessen und vermittelte ihn hier.
Auslandstierschutz heißt das Schlagwort, unter dem Vereine sich um Tiere in anderen Ländern kümmern. Sie helfen mit Geld, Arbeitskraft und Wissen und geben Vierbeinern Asyl in Deutschland. Doch halten Kritiker den Vereinen vor, es gebe genug Tierleid in Deutschland. Zudem nutzen dubiose Vereine den Auslandstierschutz als Deckmantel für Tierhandel.
Für Plücker steht der Sinn des Auslandstierschutzes außer Frage. „Wenn wir die Möglichkeit haben, Tieren über Kassel hinaus zu helfen, tun wir das“, sagt der Tierheimleiter, der auch Vorsitzender des Bundes gegen Missbrauch der Tiere ist. 200.000 Euro im Jahr überweist der Verein an Projekte in Ungarn und Rumänien. Es handele sich um eigens gesammelte Spenden, die dem deutschen Tierschutz nicht fehlten. Auch hole die Organisation Hunderte Tiere nach Deutschland.
Ideale Familienhunde von der Straße
„Vor 15 Jahren gab es viele nette Abgabehunde in Deutschland, heute nicht mehr“, sagt er. Tiere in Deutschland wechselten meist über Internetanzeigen mehrfach den Besitzer und kämen erst ins Heim, wenn sie psychisch kaputt seien. Im Ausland gebe es noch ideale Familienhunde – wie Pauli. Ann-Catrin Schmidt vom Tierheim Alsfeld bestätigt das. Ihr Verein ist in Rumänien aktiv.
„Gerade die Straßenhunde haben ein unheimlich liebevolles Wesen“, sagt sie. Ein lieber, verträglicher Familienhund werde in deutschen Tierheimen selten abgegeben. Jedoch müsse der Schwerpunkt des Auslandstierschutzes auf Prävention und Kastration liegen. Partner der Alsfelder ist die deutsche „Tierhilfe Hoffnung“, die im rumänischen Pitesti mit einem Tierheim ein Rettungsprojekt für Straßenhunde betreibt. Sie klärt auch Kinder in Schulen über den Umgang mit Tieren auf und fährt mit dem Kastrationsmobil aufs Land.
Das Prinzip des Vereins sei „einfangen, kastrieren und genau an dem Ort wieder freilassen, wo wir die Hunde eingefangen haben“, sagt Matthias Schmidt von der Tierhilfe. Doch trotz einiger Erfolge sei das Interesse der Bevölkerung an Kastrationen gering. „Um nicht aus allen Nähten zu platzen, sind wir auf Hunderettungstransporte angewiesen.“ 200 Tiere bringe man so im Monat nach Deutschland.
„Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“
Tierheime erheben für die Vermittlung eine Schutzgebühr von den neuen Besitzern. Das Geld lockt auch unseriöse Vereine an. „Ich lehne Personen ab, die unter dem Deckmantel des Tierschutzes im großen Stil Hunde importieren und das Geld hierbehalten“, sagt Madeleine Martin, Tierschutzbeauftragte des Landes. Seriöse Vereine investierten im Ausland oft ein Vielfaches der erzielten Summen. „Das ist gelebte Europäische Union“, sagt sie. Die Formen der Hilfe seien vielfältig und gingen so weit, dass es nicht nur um Tiere, sondern auch um soziale Projekte gehe.
Kritik am Auslandstierschutz formiert sich vor allem im Internet. Dort werden die Transporte kritisiert, außerdem löse die Vermittlung von Hunden in Deutschland Probleme im Ursprungsland nicht. „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, so könnte man die Problematik des Auslandstierschutzes zusammenfassen“, sagt auch Sigrid Faust-Schmidt vom Landestierschutzverband Hessen. Doch die Frage sei nicht „Auslandstierschutz ja oder nein?“, sondern „Wie?“. Guter Auslandstierschutz beinhalte immer Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort: Durch Kastrationen, Arbeitseinsätze deutscher Tierschützer und Aufklärung der Bevölkerung.