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Schütze von Wächtersbach : „Er war ein Asylantenhasser“

Der Mann, der in Wächtersbach auf einen Eritreer geschossen hat, wohnte zuletzt in Biebergemünd. Bild: dpa

Der Schütze von Wächtersbach wohnte im Nachbarort Biebergemünd. Die meisten Bewohner dort geben sich zugeknöpft. Doch ein Wirt seines Stammlokals redet.

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          In der prallen Hitze ist fast niemand auf der Straße. Von den wenigen Leuten, die der Besucher im Biebergemünder Ortsteil Wirtheim antrifft, sagen mehrere: „Ich bin nicht von hier.“ So auch die Frau, die nur wenige Häuser von dem Wohnhaus des Tatverdächtigen entfernt Kirschen pflückt. Roland K. hat am Montagmittag nach Polizeiangaben im Nachbarort Wächtersbach Schüsse auf einen 26 Jahre alten Eritreer abgegeben und ihn schwer verletzt. Am Nachmittag richtete er sich in seinem Auto mutmaßlich selbst. Laut der hessischen Generalstaatsanwaltschaft hat er aus rassistischen Motiven gehandelt.

          Niklas Zimmermann
          Redakteur in der Politik.

          Eher zugeknöpft gibt sich auch der Mann auf dem Fahrrad, der sich mit der Frau unterhält. Er wohne in der Straße und ihm sei K. bekannt. Eigentlich könne er gar nichts sagen. K. sei nicht auffällig gewesen und habe freundlich gegrüßt. „Er war Single. Also war er immer unterwegs.“ Rechtsextremes Gedankengut sei ihm nicht aufgefallen.

          Einer redet jedoch. Es ist der Wirt der Kneipe „Zum Martinseck“ im Biebergemünder Ortsteil Kassel. K. habe sich nicht ungewöhnlich verhalten, sagt er über den Gast, der am Montag die Gaststätte gleich zweimal besuchte. „Er hat wie immer zwei Bier getrunken.“ Brisant ist: Nach dem zweiten Besuch erschoss sich K. in seinem Auto mutmaßlich. Die von der Polizei markierte Stelle neben dem Sportplatz ist weniger als 200 Meter von dem Lokal entfernt. Dort herrscht am Dienstag Normalbetrieb. Sechs Männer sitzen in der Kneipe. Der Wirt, ein Mann mit Rauschebart, Goldkettchen und Tattoos, zapft Bier. An der Wand des Lokals hängen Kalender mit Pin-Up-Girls und die Schals verschiedener Fußballvereine.

          „Ich konnte dem ja nicht in den Kopf schauen“

          „Er war ein Asylantenhasser“, sagt der Mann hinter der Theke über den mutmaßlichen Schützen. K. habe ihm immer wieder gesagt: „Wenn ich gehe, dann nehme ich einen mit.“ Damit schildert er die Suizidgedanken, die der 55 Jahre alte Mann seit mehr als einem Jahr geäußert haben soll. Eingegriffen hat der Wirt nicht. „Mach Du, was Du willst“, habe er K. bloß gesagt. Der war laut dem Wirt Hartz-IV-Empfänger und sei früher Lastwagen gefahren. Seine Worte habe in der Kneipe niemand ernst genommen. „Dann ist es halt passiert“, sagt der Wirt über die Bluttat. K. sei in die Kneipe zurückgekommen und habe erzählt, dass er jemanden angeschossen habe. Im Nachhinein finde der Wirt „krass“, was passiert ist. Vorwürfe mache er sich aber nicht. „Ich konnte dem ja nicht in den Kopf schauen.“

          Der Hessische Rundfunk zitiert einen Mann aus der Nachbarschaft, der sagte, auch ihm seien die Gewaltphantasien von Roland K. bekannt gewesen. Zudem sei K. Schütze gewesen und habe Waffen besessen. Diese Information bestätigt der Biebergemünder Bürgermeister Manfred Weber (parteilos). K. sei aktives Mitglied des Schützenvereins Neudorf in Wächtersbach gewesen. Weber sagt auch, K. sei erst im Juni 2017 in die Gemeinde gezogen. Gekannt habe er den Mann nicht.

          Schrecklich findet die Tat die Verkäuferin in der Bäckerei. Sie sagt aber auch: „Es ist hier in den letzten Jahren schlimmer geworden.“ Bei Sportfesten sei ihr achtzehnjähriger Sohn in Auseinandersetzungen mit Flüchtlingen verwickelt gewesen. Bürgermeister Weber, der sich von der Tat „sehr betroffen“ zeigte, will von solchen Konflikten nichts mitbekommen haben. Er verweist darauf, dass ein Integrationsprojekt im Ort vor zwei Jahren sogar den Hessischen Integrationspreis erhalten habe.

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